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Der Hundertjaehrige Krieg

Der Hundertjaehrige Krieg

Titel: Der Hundertjaehrige Krieg
Autoren: Joachim Ehlers
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Johann von Dunois an, erreichte bei Blaye die Gironde und führte den Feldzug weiter entlang der Dordogne. Dort konnte er bis zum 1. Juni Libourne, St-Émilionund Castillon erobern, während Karl von Albret von Süden her in die weite Ebene der Landes eindrang. Am 23. Juni ergab sich Bordeaux, aber anders als in der Normandie war damit das Kriegsziel nicht erreicht. Die Bürger protestierten bei Karl VII. gegen dessen erste Steuerforderung, wurden aber harsch abgewiesen und wandten sich nun um Hilfe an den englischen Hof. Heinrich VI. ergriff die willkommene Gelegenheit und schickte eine Armee unter Führung des bewährten, aber mittlerweile fünfundsechzigjährigen John Talbot. Ohne nennenswerten Widerstand konnte dieser am 23. Oktober 1452 in Bordeaux einziehen und von dieser Basis aus im Frühjahr einen Feldzug beginnen, der von der Bevölkerung des Landes begrüßt wurde und Sieg versprach. Jetzt aber setzte Karl VII. die Masse seiner Kompanien ein, und Talbot mußte in ungünstiger Position am 17. Juli 1453 bei Castillon die Schlacht suchen, weil er sein kleines Expeditionskorps keinem längeren Abnutzungskrieg aussetzen durfte. Die mitgeführte Artillerie des Königs von Frankreich brach die Attacke der englischen schweren Reiter, Talbot selbst und sein Sohn sind dabei gefallen.
    Die Niederlage führte zu einem Nervenzusammenbruch Heinrichs VI. und brachte den englischen Hof endgültig zur Einsicht, daß der Krieg verloren war. Die Guyenne lag für Karl VII. offen, der nun gegen die verbliebenen festen Plätze und ihre Garnisonen anders vorging als in der Normandie. Lösegelder wurden nicht mehr angenommen, bedingungslose Kapitulationen verlangt und die Kommandeure hingerichtet, soweit es Einheimische waren. In Bordeaux hatte man das mit Sorge beobachtet, so daß der Rat die Übergabe der Stadt gegen Garantien für Leben und Besitz der Einwohner anbot. Der König betrachtete die Stadt jedoch als treubrüchig und strafwürdig, lehnte Verhandlungen ab und ließ sie beschießen. Am 19. Oktober kapitulierte die reiche Handelsmetropole, zahlte 100.000 Écu Strafgeld und verlor alle ihre bisherigen Freiheiten. Der Hundertjährige Krieg war zu Ende, aber kein Vertrag bestätigte das. Als einzigen ihnen verbliebenen Kontinentalbesitz hielten die englischen Könige Calais bis 1558 und führten weiterhin, formell bis 1802, den Titel eines Königs von Frankreich.Noch lange fürchtete man dort neue Angriffe und hielt die Armee in Bereitschaft, baute besonders im Südwesten und in der Normandie Befestigungen aus, mißtraute einer Bevölkerung, die lange zufrieden unter englischer Herrschaft gelebt hatte. Erst im Lauf mehrerer Jahrzehnte verdrängten andere Ereignisse und neue Herausforderungen den unmittelbaren Eindruck des großen Krieges und machten ihn zum Bestandteil eines zunächst noch politisch engagierten, später antiquarischen Geschichtsbewußtseins der beteiligten Reiche und Völker.

9. Der Krieg und seine Folgen
    Obwohl der Hundertjährige Krieg nicht alle Regionen Frankreichs gleichmäßig und dauernd betroffen hatte, litt das ganze Land noch lange an den großen Zerstörungen, den hohen Menschenverlusten, der mehr oder weniger weitgehenden Desintegration der Gesellschaft, Auflösung der öffentlichen Ordnung und Minderung der Rechtssicherheit. Besonders negativ wirkte sich die im Laufe der Zeit vor allem in Frankreich manifeste Gewöhnung an die dominierende Rolle der Gewalt in nahezu allen Lebensbereichen aus. Der Krieg wurde über die Jahre und Jahrzehnte zum gesellschaftlichen Dauerphänomen, zum Bestandteil des kollektiven Bewußtseins der Menschen, die ihn saisonal erlebten, regelmäßig wiederkehrend wie Saat- und Erntezeit, Sommerhitze und Winterkälte. Diese nahezu alltägliche Erfahrung, immer wieder selbst erlitten oder anderen zugefügt, entfremdete große Teile der Bevölkerung aller Schichten den friedlichen Rechts- und Erwerbsformen. Jeder der vielen Waffenstillstände setzte Truppen frei, die entweder neu beschäftigt werden mußten oder zur Landplage wurden, denn ihr Leben und dessen Unterhalt war und blieb der Krieg. Dieser Mißstand kam jedoch der Monarchie als Institution zugute, weil sich immer wieder die Sehnsucht der Massen nach dem starken Herrscher artikulierte, von dem sie Erlösung aus dem Elend erhofften. Dabei war es den meisten Menschen mittlerweile gleichgültig geworden, ob dieser König ein Valois oder ein Lancaster war, wenn sein Regiment nur Sicherheit
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