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Der Hundertjaehrige Krieg

Der Hundertjaehrige Krieg

Titel: Der Hundertjaehrige Krieg
Autoren: Joachim Ehlers
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Kriegshandlungen durch längere Verhandlungsphasen und Waffenstillstände unterbrochen worden; es kam sogar zu Annäherungen und Ausgleichsversuchen, die den Forderungen der Lehre vom gerechten Krieg entsprachen und durch Heiratsverbindungen gesichert werden sollten wie 1396, als Richard II. eine Tochter Karls VI. zur Frau nahm. Dader lange Krieg vielfach dauerhafte Beziehungen und Verbindungen stiftete, feindliche ebenso wie freundliche, hat er überdies erheblich zur weiteren Vereinheitlichung der ohnehin recht homogenen westeuropäischen Zivilisation beigetragen. Beide Seiten respektierten ja wenigstens formal die gleichen Werte ritterlichen Verhaltens und der Adelskultur, dasselbe Kriegsrecht und das Lösegeldsystem, dem so viele adlige Kombattanten ihr Leben und viele Familien den wirtschaftlichen Ruin verdankten. Mannigfache Formen des Kulturtransfers sind durch den Krieg begünstigt worden, der besonders auf dem Niveau des Hochadels folgenreiche Begegnungen mit sich brachte. Ein in diesem Sinne prominenter Vermittler franko-burgundischer Lebensformen nach England war Herzog Johann von Bedford, der als Regent Frankreichs und Schwager Philipps des Guten reiche Gelegenheit zu persönlicher Anschauung gehabt hat. Hier konnte sich deshalb eine besonders wichtige Brückenfunktion ergeben, weil Philipp der Gute nicht nur ein bedeutender Vertreter der Renaissance des Rittertums und Herr eines vorbildhaften Hofes gewesen ist, ein sorgsamer Patron und Gestalter traditioneller Lebensformen des Adels, sondern der mindestens ebenso entschiedene Promotor einer Synthese von rationalen, geradezu modern anmutenden Politik- und Verwaltungsformen. Offensichtlich hat dieser Hof die Städte und ihr reiches Wirtschaftsbürgertum als regulierende und zugleich anregende Kraft gebraucht, denn die Gemeinsamkeiten in Verwaltung, Wehrwesen, Festkultur, Kunstbesitz und Kunstproduktion von Stadt, Herzog und Aristokratie weisen deutlich in diese Richtung und wirkten nach England weiter. Ungeachtet solcher Übereinstimmungen führte die außergewöhnlich lange Dauer des Krieges jedoch auf beiden Seiten allmählich zu gesteigerter Xenophobie, die ihren vorläufigen Höhepunkt mit dem religiös begründeten Wirken der Jeanne d’Arc erreichte, die dem Konflikt auf französischer Seite mindestens zeitweise den Charakter eines Volkskrieges vermittelt hat. Niemals auch hat der König von Frankreich auf seine Lehnshoheit über die englisch besetzten Gebiete verzichtet, selbst dann nicht, wenn er sie dem Rivalen durch Verträge rechtskräftig – aber eben nur zu Lehen – übergeben hatte.
    Darüber hinaus haben die häufigen Unterbrechungen der Kampfhandlungen zur langen Dauer des Konflikts beigetragen, weil sie wie Erholungspausen wirkten, die Gelegenheit zu neuen Rüstungen boten, zur Refinanzierung der Kriegskosten ebenso wie zur allgemeinen wirtschaftlichen Konsolidierung. Im übrigen hingen Zahl, Dauer und Intensität der Feldzüge keineswegs nur vom Willen und von den politischen Zielen der Könige ab, denn in beiden Reichen gab es eine Führungsschicht, die als dynamische politische Gesellschaft wirkte und mit ihren Ambitionen den Krieg begünstigte. Der englische Adel konnte auf dem Kontinent ritterliche Bewährung mit Einkünften, Ämtern und Würden vorteilhaft verbinden, während die französische Aristokratie immer wieder Gelegenheit suchte, ihre
prouesse,
die militärische Tapferkeit und Stärke, beim Vertreiben eines zunehmend als fremd empfundenen Aggressors zu erweisen und damit ihre herausgehobene Stellung im Verfassungs- und Gesellschaftsgefüge zu rechtfertigen. Deshalb haben weder der Bevölkerungsrückgang infolge der Pestzüge und der Schlachten, der Hungersnöte und der Mißhandlungen, noch die ökonomische oder die Finanzkrise zur Erschöpfung und zum Ende der Kämpfe geführt, denn Ehre und Reputation blieben starke Antriebskräfte. Wer sie zu nutzen verstand, verschaffte sich Anhang.
    Auf diese Weise ist im Laufe des Krieges der Königsdienst immer stärker zur wirklichen Legitimation des Adels geworden. Als Gegenleistung durfte er auf dringend gewünschte Statusgarantien rechnen, die um so nötiger waren, als die spektakulären Niederlagen bei Crécy (1346), Maupertuis (1356) und Azincourt (1415) das Prestige der Ritterschaft erheblich gemindert hatten. Die
Grandes Chroniques de France,
das offiziöse Geschichtswerk der französischen Monarchie, sahen den wesentlichen Grund für die Siege der Engländer in der
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