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Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)

Titel: Der Hund des Propheten: Roman (German Edition)
Autoren: Ulrich Ritzel
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Herrn noch am Grab? Für einen Zweispalter hab ich da noch Platz. 60 Zeilen. Kennwort Köter.« Er schaut auf die Uhr. »Du hast dich heute auf einer schönen Beerdigung durchfressen können. Ich aber nicht, und deshalb brauch ich jetzt was, was dem Vater aufs Fahrrad hilft. Bis ich zurückkomm’, hast du das blöde Vieh im Kasten .«
     
     
    Vor Frentzel öffnet sich die Glastür auf den Platz mit dem Obelisken, den der Architekt des neuen »Tagblatt«-Gebäudes dort hatte errichten lassen. Es ist nur ein kleiner Obelisk, und fast nie verfängt sich ein Sonnenstrahl an seiner Spitze.
    Aber Erleuchtung, denkt Frentzel, ist eine seltene Gabe Gottes. Wer wollte dem widersprechen, gerade beim »Tagblatt«? Er überquert die Straßenbahngleise und geht einen Block von Wohnhäusern entlang, die der Straße abwechselnd altersbraunen Backstein und schmutzig grauen Waschbeton zukehren. Nach dem Block weitet sich die Straße, Frentzel kommt am Landgericht vorbei und wirft einen wehmütigen Blick auf die Säulen und steinernen Löwen des Portals.
    Noch immer ist die Schnauze des einen Löwen rot verschmiert. Wie viele Jahre schon? Mindestens seit dem Golfkrieg von Bush senior. Eigentlich lange genug her, dass man es hätte wegmachen können.
    Er geht weiter, am Westportal des Justizgebäudes vorbei zu Tonios Café, und hängt sein Cape an einen der Garderobehaken. Dabei muss er erst einen Lodenmantel zur Seite schieben, der Lodenmantel sieht nach einem Messebesucher aus, denn derzeit findet im Ausstellungsgelände in der Au die SilvAqua statt, alles für den Jäger und Sportfischer. Noch ist es nicht spät am Nachmittag, die Aktentaschenträger sind noch nicht von ihren Büros ausgeschwärmt, Frentzel mag diese stille halbe Stunde. Am Tresen hockt das Paar, das dort schon immer hockt und Endstation Sehnsucht nachspielt, den Hüftspeck mit immer größerer Mühe in die Jeans gezwängt. Weiter hinten sitzt ein massiger Mensch, den Frentzel nicht kennt und der vermutlich zu dem ausladenden Lodenmantel gehört. An einem der Tischchen vorne lässt ein dunkelhaariger Mann die Zeitung sinken, in der er gelesen hat, und nickt Frentzel zu, es ist nicht ganz klar, ob er nur grüßen oder ihn an den Tisch einladen will.
    Frentzel bleibt stehen und wirft einen Blick auf die Zeitung, bei der es sich nicht um das »Tagblatt« handelt, sondern um die »alternative zeitung«.
    »Das können wir nicht billigen, Hochwürden«, bemerkt er streng.
    »Um Vergebung«, antwortet Pfarrer Johannes Rübsam, »ich wusste nicht, dass Ihre Auflage Not leidend geworden ist. Aber wollen Sie sich nicht setzen?«
    Frentzel zieht sich einen Hocker an den Tisch und setzt sich. Noch einmal wirft er einen Blick auf die aufgeschlagene Zeitungsseite. Ein großformatiges Foto zeigt Leichen, die von einem Panzer durch den Straßenstaub gezogen werden.
    »Neues aus Afghanistan?«, fragt er. »Sind das die Guten, die wieder einmal siegen?«
    »Nein«, antwortet Rübsam. »Das ist nicht Afghanistan. Ein Massaker in Katanga.«
    Frentzel nickt der Bedienung zu. Maria heißt sie, weil alle Bedienungen bei Tonio so heißen. Außerdem ist sie neu, aber dass Frentzel um diese Zeit einen trockenen norditalienischen Weißen bekommt, gehört zu den ersten Dingen, die sie bei Tonio gelernt hat.
    »Wer den tapferen Leuten den Panzer bezahlt hat, steht nicht in Ihrer Zeitung?«
    »Irgendwelche Gnome«, meint Rübsam. »Gnome aus Zürich oder Manhattan. So genau wissen sie es auch nicht.«
    »In diesen Tagen sollten Sie nicht von Gnomen reden.« Frentzel hebt die Hand. »Nicht von Gnomen in Manhattan. Bleiben Sie bei Ihrer Heimatzeitung. Hier spielt die Musik, hier bellt der Hund.«
    Maria, das Weinglas auf dem Tablett, hat sich genähert und artig gewartet. Ihrem blassen, von langen schwarzen Haaren eingerahmten Gesicht ist weder Erstaunen noch Belustigung anzumerken. Nun stellt sie das hochstielige beschlagene Glas vor Frentzel ab. Er dankt und sieht ihr nach, wie sie zum Tresen zurückgeht.
    Sie trägt einen schwarzen langen Rock, der zeigt, dass sie lange Beine hat und einen hübschen Hintern.
    »Jetzt kann ich Ihnen nicht ganz folgen«, meint Rübsam.
    Frentzel hebt die Hand. »Warten Sie es ab. Lesen Sie morgen unsere Zeitung. Alles über totgefahrene Füchse und losgerissene Hunde, unter besonderer Berücksichtung des kirchlichen Bestattungswesens. Katanga, dass ich nicht lache!«
    Die Tür fliegt auf, mit einem Stoß frischer Luft weht herein eine auffallend große Frau,
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