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Der Hügel des Windes

Der Hügel des Windes

Titel: Der Hügel des Windes
Autoren: Carmine Abate
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aber das Unwetter war so heftig, dass ich von hier nicht weiterkam«,sagte ich zu meinem Vater, nachdem ich ihn auf die borstigen Wangen geküsst hatte.
    »Recht so. Wenn du mit dem Auto hochgekommen wärst, hätte dich die Schlammflut ins Meer gespült«, meinte er mit düsterer Miene. »Wir nehmen jetzt meinen Wagen, der ist für diese Straßen gemacht. Lass deinen hier stehen.« Dann fragte er mich nach Simona, ob ich sie angerufen habe. Ich sagte ja, eine Lüge, und dass es ihr gutginge.
    Ich stieg in den Panda, und im niedrigsten Gang, manchmal gefährlich schlitternd, fuhren wir auf den Gipfel des Rossarco.
    »Du bist sicher hungrig und durchgefroren«, sagte mein Vater, als er mich in die Casella führte. Wir setzten uns vor den eingeheizten Ofen an einen Tisch, der für zwei gedeckt war, scheinbar hatte er mich zum Mittagessen erwartet. »Ich habe dir Nudeln mit Kichererbsen gemacht. Das magst du hoffentlich noch.«
    Ich lächelte ihm zu. Ich hatte so einen Bärenhunger, dass ich auch trockenes Brot gegessen hätte. Der neue Wein war granatrot, mit orangefarbenen Einsprengseln und schmeckte außerordentlich, einer der besten Cirò, die ich je getrunken hatte, das sagte ich ihm und bediente mich reichlich. Mein Vater bestätigte meine Begeisterung mit der Kompetenz des Sommeliers: »Ja, er hat die intensive Blume von reifen, eingelegten Pflaumen, von Leder und Lakritz, Tabak, Pfeffer.« Und er trank mit mir. »Ungestüm und warm am Gaumen, weich wie die Haut einer Frau.« Er trank und redete. Er war froh, dass ich da war, so sagte er, doch in seiner Miene lagen Sorge und Furcht. Das Drängende, das ich am Vortag in seiner von Wind und Regen erstickten Stimme gehört hatte, fand ich nun in seinen Worten wieder, dieerhitzt vom Feuer und vom Wein aus seinem Mund hervorbrachen.
    In Wahrheit hat er mich herbestellt, um mit mir zu reden, dachte ich, der Hügel ist gar nicht in Gefahr, sonst säßen wir hier nicht so ruhig beim Essen und Trinken.
    Er wiederholte, dass der Rossarco abrutsche, es könne sich nur um Stunden oder im besten Fall um Tage handeln, ohne jeden Zweifel. Und bevor die letzten Bruchstücke unserer Geschichte unter dem ewigen Schlamm begraben würden, fügte er hinzu, sollte ich die Sachen erfahren, die zu erzählen er bisher nicht den Mut gefunden hatte.
    »Die erste Wahrheit ist die von Nonna Sofia«, sagte mein Vater. »Stell dir ihren dornenreichen Blick vor, nur dann wirst du begreifen, warum sie bis wenige Minuten vor ihrem Tod so hartnäckig geschwiegen hat.«
    Ich erinnerte mich an Mammasofì als eine energische Alte, sanft und ironisch, mit rauer Stimme nur, wenn sie provoziert wurde. Mit etwas Mühe malte ich sie mir als junge Frau aus, allein auf dem roten Hügel, die drei Söhne fröhlich im Vullo ihrer Kindheit planschend. Die zwei Männer nähern sich von hinten, sie sind jünger als ihr Mann, einer aus Spillace, er ist es, der sie mit verräterischem Lächeln anspricht: »Guten Tag, Donna Sofia.«
    Sie erwidert den Gruß und unterdrückt die böse Vorahnung, die jäh in ihr aufsteigt. Was wollen die beiden von ihr?
    »Wir haben von den Goldmünzen gehört, die Ihr beim Graben auf diesem gesegneten Hügel gefunden habt.«
    »Wir haben gar nichts gefunden, wer redet denn solchen Unfug?«
    »Das sagt ein Lehrer in Cirò, der für Euch sechzehn wertvolle Münzen nach Rom verkauft hat, und mit dem Geld habt Ihr all das schöne Land hier gekauft.«
    »Dieser Lehrer ist nicht bei Trost und hat sich alles nur ausgedacht, wir haben Blut geschwitzt, um den Rest des Hügels kaufen zu können.«
    Die zwei Männer lachen lauthals. »Ihr könnt nicht gut lügen. Ihr seid rot geworden wie die Blüten des Süßklees«, sagt der Mann aus dem Dorf.
    »Ich lüge nicht und habe solchen Nichtsnutzen wie euch nichts weiter zu sagen.«
    »Ihr müsst nichts sagen, Donna Sofì: Ihr müsst uns nur zeigen, wo Ihr die Münzen versteckt habt. Wir nehmen uns unseren Teil und lassen Euch in Frieden, kaufen uns das Kärtchen und verschwinden für immer nach La Merika«, lächelt der Dörfler. Und der andere: »Sonst fangen wir deinen Mann am Stollenausgang ab, und wenn auch er nicht reden will, das schwöre ich dir, hat er ein paar heile Knochen weniger im Leib, wenn er nach Hause kommt.«
    »Schluss jetzt, ihr müsst gehen, wenn mein Mann erfährt, dass ihr mich hier oben belästigt habt, brennt er euch einen auf den Pelz.«
    Die Männer lachen wieder, blicken sich sicherheitshalber einmal um, sehen nichts als
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