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Der Hügel des Windes

Der Hügel des Windes

Titel: Der Hügel des Windes
Autoren: Carmine Abate
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ihre schwankenden Schatten im Gras und den stummen Hügel.
    »Compà, du hast mir gar nicht gesagt, was für ein schönes frisches Weibsbild deine Dörflerin ist! Die Möpse so prall wie Melonen, da wird man doch mal probieren dürfen, damit sie zu Verstand kommt, was meinst du?«, sagt der Fremde und streckt die Hand nach ihren Brüsten aus.
    Mammasofì schlägt ihm den mit Kirschen gefüllten Korbauf den Arm und überrumpelt ihn anfänglich, zwei Kirschen hängen ihm in den Haaren, einen Moment lang ist er still und schaut sie aus seinem lächerlichen Gesicht an, dann brüllt er: »Verdammte Hure, dir will ich’s zeigen!«, wirft sich auf sie und rollt mit ihr über den Boden. Der andere springt ihm bei, sie versuchen sie auszuziehen, Mammasofì windet sich, kratzt, beißt, schlägt um sich, so gut sie kann. »Du elendes Flittchen, halt still, es wird dir schon gefallen!« Doch der Fremde hat kaum sein Hose aufgeknöpft, da ertönt hinter ihm ein furchteinflößendes Gebrüll, das ihn unterbricht: »Ihr Hurenböcke, sofort loslassen!«
    Sie drehen sich um, auf der Schwelle der Hütte steht ein Mann und zielt mit dem Gewehr auf sie. Es ist Alberto Arcuri. Sie begreifen nicht. Sollte er nicht zu Hause sein und schlafen? Hat er nicht die ganze Nacht in der Mine geschuftet?
    Mammasofì nutzt ihre Verwirrung und läuft zu ihrem Mann. Die beiden bleiben am Boden, wissen nichts zu sagen, zu tun, in ihren Augen steht Todesangst. Dann springen sie jäh auf und flüchten, wollen zwischen den Kirschbäumen und dem Wald von Tripepi verschwinden. Alberto ist wutentbrannt, überschäumend vor Wut, er schießt, ohne nachzudenken, vielleicht hätten sie sich retten können, ohne diesen sinnlosen, feigen Fluchtversuch, Alberto schießt nochmals, und je öfter er schießt, desto größer wird seine Wut, »Hurenböcke!«, brüllt er weiter, der Dorfbewohner fällt mit dem Gesicht ins Gras. Alberto lädt die Doppelflinte nach, noch zwei Schuss, der Fremde geht in die Knie, schreit wie ein verletztes Tier, jammert vor Schmerz und aus Angst, kläglich zu verbluten, zwei Gnadenschüsse bringen ihn zum Schweigen, und ein letztes Röcheln entfährt ihm, ein Geifer aus Wut undBlut, er stürzt ins Gras, besudelt es rot, die Augen für immer offen, in Ungläubigkeit, im ewigen Nichts.
    Am Ende der Erzählung weinte Mammasofì unter Lachen oder lachte unter Tränen, endlich befreit von dem Geheimnis, das ein Leben lang auf ihr und dem Ehemann gelastet hatte. Nun konnte auch sie in Frieden sterben.
    Mein Vater leerte das halbe Weinglas in einem Zug, biss sich leicht auf die feuchten Lippen und sagte: »Du darfst sie nicht verurteilen. Sie haben ein Leben lang gelitten wegen diesem Blut auf dem Hügel, haben es teuer mit einem beißenden Gewissen bezahlt, Nonno Alberto mehr als seine Frau, auch wenn sie sich immer wieder gesagt haben, dass die zwei Verbrecher sich diesen saudummen Tod selbst ausgesucht hatten. Für Mammasofì war die größte Strafe, ihre drei Söhne zu überleben, die im Schlund der Geschichte verschwanden, ohne Grab, auf das sie eine Blume legen konnte.«
    Zum ersten Mal haben wir uns mit Augen betrachtet, die frei waren von Angst und Heuchelei. Es ist an der Zeit, das Versprechen einzulösen, das du mir abgerungen hast, hätte ich ihm gerne gesagt. Doch er kam mir zuvor: »Die Wahrheit tut weh und muss doch ausgesprochen werden, sonst wird der Schmerz immer stechender und unerträglich. Denk daran, wenn du unsere Geschichte weitererzählst.« Dann bat er mich, ihm nach draußen zu folgen: »Komm, ich zeige dir, warum ich dich so dringend herbestellt habe.«
    Wir standen gut zehn Meter vom großen Olivenbaum entfernt, aus dem es noch tröpfelte.
    »Schau dir den Riss an«, rief mein Vater aus. »Schrecklich!«
    Es war ein Schlund von über einem, stellenweise zwei Meter Breite, der den Rossarco oberhalb der Ausgrabungendurchschnitt. Wir gingen daran entlang, und ich sagte: »Das ist unglaublich, der ist bestimmt zweihundert Meter lang, als hätte sich ein ganzes Stück Hügel durch ein starkes Erdbeben gelöst.«
    Mein Vater sprang mit jugendlichem Schwung über den Spalt auf die andere Seite. Ich hatte Angst, er könne hineinfallen oder in Richtung Meer hinunterrollen, wie damals im Spiel mit Ninabella.
    »Ja, aber dieses Mal hat das nichts mit einem Erdbeben zu tun, sondern mit diesem Graben dort unten, der den Rossarco geschwächt hat, damit, dass es keinen Wald gibt und kein tiefes Wurzelwerk, mit den ständigen
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