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Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag

Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag

Titel: Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
Autoren: Robert Ludlum
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und dort war es auch unwahrscheinlich, daß der Blick eines Mitreisenden auf die Papiere fiel, die er las und immer wieder las.
    Er hatte mit dem Brief von Heinrich Clausen angefangen, diesem unglaublichen Dokument. Die Information, die der Brief enthielt, war so alarmierend, daß Manfredi ihm gegenüber den Wunsch des gesamten Direktoriums der Grande Banque zum Ausdruck gebracht hatte, er solle vernichtet werden. Er enthüllte nämlich pauschal die Herkunft der Millionen, die vor drei Jahrzehnten in Genf angelegt worden waren. Obwohl die meisten Mittelsmänner juristisch nicht mehr belangt werden konnten — Diebe und Mörder, die den Staatsschatz einer Regierung stahlen, die selbst von Dieben und Mördern geleitet wurde -, gab es doch noch einige, die dem Zugriff der Behörden keineswegs entzogen waren. Während des ganzen Krieges hatte Deutschland geplündert, innerhalb und außerhalb seiner Grenzen.
    Innerhalb der Grenzen hatte man konfisziert; die Besiegten außerhalb unbarmherzig bestohlen. Wenn diese Räubereien jetzt ans Licht gezerrt wurden, konnte der Internationale Gerichtshof in Den Haag die Mittel auf Jahre hinaus einfrieren, während endlose Prozesse geführt wurden.
    »Vernichten Sie den Brief«, hatte Manfredi in Genf gesagt. »Er sollte Ihnen nur die Gründe seines Handelns begreiflich machen. Die Kenntnis seiner Methoden bringt Ihnen überhaupt nichts. Aber es gibt Leute, die möglicherweise versuchen, Ihnen in die Quere zu kommen. Schließlich geht es hier um Hunderte von Millionen.«
    Noel las den Brief jetzt vielleicht zum zwanzigstenmal. Jedesmal versuchte er, sich dabei ein Bild von dem Mann zu
machen, der ihn geschrieben hatte. Sein leiblicher Vater. Er hatte keine Ahnung, wie Heinrich Clausen ausgesehen hatte; seine Mutter hatte sämtliche Fotografien vernichtet, alle Briefe und Aufzeichnungen, jeglichen Hinweis auf den Mann, den sie mit ihrem ganzen Wesen haßte.
     
    Berlin, 20. April 1945
    MEIN SOHN
    Ich schreibe diese Zeilen, während an allen Fronten die Armeen des Reiches zusammenbrechen. Berlin wird bald fallen, eine Stadt, in der überall das Feuer lodert und der Tod wütet. So seies. Ich will keinen Augenblick auf das verschwenden, was war oder was hätte sein können. Ich will nicht reden von korrumpierten Ideen und dem Triumph des Bösen über das Gute infolge des Verrats moralisch bankrotter Führer. Vorwürfe, die in der Hölle geboren werden, sind verdächtig, und nur zu leicht schreibt man sie dem Teufel zu.
    Statt dessen sollen meine Taten für mich sprechen. Vielleicht findest Du in ihnen einen Rest von Stolz. Darum bete ich.
    Wir müssen für Wiedergutmachung sorgen, davon bin ich jetzt fest überzeugt. Ebenso wie meine zwei liebsten Freunde, die in dem beigefügten Schriftstück genannt werden. Wiedergutmachung für unser Vernichtungswerk, für so ruchlose Taten, daß die Welt sie nie vergessen wird. Und nie verzeihen. Wir haben das, was wir inzwischen getan haben, getan, um wenigstens teilweise Vergebung zu finden.
    Vor fünf Jahren hat Deine Mutter eine Entscheidung getroffen, die ich nicht begreifen konnte, so blind war ich damals der Bewegung und der neuen Ordnung ergeben. Vor zwei Wintern—im Februar 1943—erwiesen sich die Worte, die sie im Zorn sprach und die ich hochmütig als Lügen abtat, die jene ihr eingeflößt hatten, die das Vaterland verachteten, erwiesen sich jene Worte als wahr. Man hatte uns getäuscht, uns, die wir in den höchsten Kreisen der Finanz und der Politik tätig waren. Seit zwei Jahren schon ist es klar, daß Deutschland besiegt werden wird. Wir redeten uns ein, es werde anders kommen, aber in unserem Herzen wußten wir, daß es so war. Andere wußten es auch. Das Schreckliche trat ans Licht, die Täuschung wurde immer deutlicher.

    Vor fünfundzwanzig Monaten ersann ich einen Plan und sicherte mir die Hilfe meiner lieben Freunde im Finanzministerium. Sie unterstützten mich bereitwillig. Unser Ziel war es, riesige Geldbeträge in die neutrale Schweiz umzulenken, Mittel, die eines Tages dazu eingesetzt werden konnten, jenen Tausenden und Abertausenden Hilfe und Unterstützung zuteil werden zu lassen, deren Leben durch gemeine Verbrechen zerstört worden waren, die Tiere im Namen Deutschlands begangen hatten, Tiere, die nichts von deutscher Ehre wußten.
    Jetzt wissen wir um die Lager. Ihre Namen werden wie Fanale des Bösen in die Geschichte eingehen. Belsen, Dachau, Auschwitz.
    Wir haben von den Massenexekutionen gehört, von den hilflosen
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