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Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag

Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag

Titel: Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
Autoren: Robert Ludlum
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für ein Irrenhaus?«
    Der Bankier las. Dann antwortete er, ohne aufzublicken. »Die Vettern von Verrückten. Männer, die die Hoffnung verloren hatten.«
    »Was heißt Wolfsschanze? Was bedeutet das?«
    »Das war der Name von Hitlers Hauptquartier in Ostpreußen, Schauplatz des Attentats vom 20. Juli 1944. Stauffenberg, Kluge, Höpner und viele andere Offiziere waren in die
Verschwörung verwickelt. Man hat sie viehisch an Fleischerhaken aufgehängt. Rommel mußte Selbstmord begehen.«
    Holcroft starrte das Papier an, das Manfredi noch immer in der Hand hatte. »Sie meinen, das da ist vor dreißig Jahren geschrieben worden, von solchen Leuten?«
    Der Bankier nickte. Seine Augen hatten sich vor Erstaunen verengt. »Ja, aber das ist nicht die Sprache, die man von ihnen hätte erwarten können. Dies ist nichts anderes als eine Drohung; unvernünftig. Jene Männer waren nicht unvernünftig. Andererseits, die Zeit damals war ohne Sinn und Verstand. Anständige Männer, tapfere Männer wurden an den Rand des Wahnsinns getrieben. Sie durchlebten eine Hölle, die sich heute keiner von uns ausmalen kann.«
    »Anständige Männer?« fragte Noel ungläubig.
    »Haben Sie eine Ahnung, was es bedeutete, zu den Verschwörern zu gehören? Dem Attentat folgte ein Blutbad. Tausende wurden umgebracht, und die meisten hatten mit dieser Verschwörung gar nichts zu tun. Das war auch eine Endlösung, ein Vorwand, um in ganz Deutschland jede Kritik zum Schweigen zu bringen. Was als ein Akt begonnen hatte, die Welt von einem Verrückten zu befreien, endete im Massensterben. Die Überlebenden in der Wolfsschanze sahen das mit an.«
    »Diese Überlebenden«, erwiderte Holcroft, »haben dem Wahnsinnigen lange Zeit Gefolgschaft geleistet.«
    »Sie müssen das begreifen. Und Sie werden es auch. Das waren verzweifelte Menschen, Gefangene ohne Ausweg. Für sie brach eine Welt zusammen. Die Welt, an deren Erschaffung sie mitgeholfen hatten, erwies sich als eine ganz andere Welt als die ihrer Visionen. Schrecken, von denen sie sich nie hätten träumen lassen, kamen ans Tageslicht, und doch konnten sie sich nicht von der Verantwortung dafür lossagen. Sie waren erschüttert von dem, was sie sahen, konnten aber die Rolle nicht verleugnen, die sie gespielt hatten.«
    »Die Nazis, die es gut meinten«, sagte Noel. »Von denen habe ich gehört. Eine Spezies, die sich nirgends einordnen läßt.«
    »Man müßte ziemlich weit in der Geschichte zurückgehen, zu den Wirtschaftskatastrophen, dem Versailler Vertrag, dem
Pakt von Locarno, den Übergriffen der Bolschewiken — zu einem Dutzend verschiedenster Ursachen -, um das zu verstehen. «
    »Ich verstehe das, was ich gerade gelesen habe«, sagte Holcroft. »Ihre armen, mißverstandenen Nazis zögerten keinen Augenblick, jemanden zu bedrohen, den sie überhaupt nicht kannten! >...wird er kein Leben mehr haben... Niemand wird verschont werden... Familie, Kinder, Freunde. < Das alles klingt nach Mord. Kommen Sie mir bloß nicht mit Killern, die es gut meinen.«
    »Das sind die Worte alter, kranker, verzweifelter Menschen. Heute haben sie keine Bedeutung mehr. Das war ihre Art, die eigene Angst auszudrücken, Vergebung zu suchen. Jetzt sind sie nicht mehr. Lassen Sie sie in Frieden. Lesen Sie den Brief Ihres Vaters...«
    »Er ist nicht mein Vater!« unterbrach Noel.
    »Lesen Sie Heinrich Clausens Brief. Dann wird Ihnen vieles klarer sein. Lesen Sie ihn. Wir haben noch einiges zu besprechen, und die Zeit ist knapp.«
     
    Ein Mann in einem braunen Tweedmantel und mit einem dunklen Tirolerhut stand gegenüber Wagen sieben an einer Säule. Auf den ersten Blick war in seinem leicht zu vergessenden Gesicht nichts, das ihn von der Menge unterschied, einzig vielleicht seine dichten Augenbrauen, in denen sich schwarzes und hellgraues Haar wie Pfeffer und Salz mischte.
    Wenn man aber genauer hinsah, konnte man die derben, wenn auch nicht groben Züge eines sehr entschlossenen Menschen erkennen. Trotz der Windstöße, die immer wieder über den Bahnsteig fegten, blieben seine Augen unbewegt und blinzelten nicht. Er konzentrierte sich völlig auf Wagen sieben.
    Durch diese Türe würde der Amerikaner herauskommen, dachte der Mann an der Säule, und dann wäre er ein ganz anderer Mensch als jener, der hineingegangen war. In den letzten paar Minuten war sein Leben auf eine Art verändert worden, wie sie nur wenige Menschen je erleben. Und doch war dies erst der Anfang; die Reise, die anzutreten er im
Begriffe war, ging
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