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Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag

Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag

Titel: Der Holcroft-Vertrag - Ludlum, R: Holcroft-Vertrag
Autoren: Robert Ludlum
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unter. Er hatte Aufträge annehmen müssen, die er lieber abgelehnt hätte, hatte in seiner Arbeit Kompromisse eingehen müssen, wo der Architekt in ihm anders gehandelt hätte; und umgekehrt war er gezwungen gewesen, Aufträge, an denen ihm gelegen war, aus finanziellen Gründen abzulehnen. Er war im Begriff, zum Zyniker zu werden.
    Nichts war von Dauer; die Amortisation ging Hand in Hand mit Wertminderung. Niemand wußte das besser als ein Architekt, der einmal ein Gewissen gehabt hatte. Vielleicht würde er sein Gewissen wiederfinden. Wenn er frei war. Mit den zwei Millionen.

    Holcroft staunte über den Weg seiner Gedanken. Er hatte seine Entscheidung getroffen, was er eigentlich erst nach gründlicher Überlegung vorgehabt hatte. Alles hatte er bedenken wollen. Und doch wollte er jetzt ein abhanden gekommenes Gewissen mit Geld zurückhaben, das von sich weisen zu können er überzeugt gewesen war.
    Was für Menschen waren sie, die ältesten Kinder von Erich Kessler und Wilhelm von Tiebolt? Das eine war eine Frau; das andere ein Mann, ein Wissenschaftler. Aber abgesehen von diesen Unterschieden in Geschlecht und Beruf: sie waren Teil von etwas gewesen, das er nie gekannt hatte. Sie waren dabeigewesen, hatten es gesehen. Keiner von beiden war zu jung gewesen, um sich nicht daran zu erinnern. Beide hatten sie in jener fremdartigen, dämonischen Welt des Dritten Reiches gelebt. Da gab es so viele Fragen, die er ihnen würde stellen müssen.
    Fragen?
    Er hatte seine Entscheidung getroffen. Er hatte Manfredi gesagt, er brauche Zeit — mindestens ein paar Tage -, ehe er sich entscheiden konnte.
    »Haben Sie denn wirklich eine Wahl?« hatte ihn der Schweizer Bankier gefragt.
    »Selbstverständlich habe ich die«, hatte Noel geantwortet. »Ich stehe nicht zum Verkauf, gleichgültig, wie die Umstände auch liegen. Und Drohungen, die vor dreißig Jahren von Verrückten ausgestoßen wurden, machen mir keine Angst.«
    »Das sollen sie auch nicht. Sprechen Sie mit Ihrer Mutter darüber. «
    »Was?« Holcroft staunte. »Sie haben doch gesagt...«
    »Völlige Geheimhaltung? Ja, aber Ihre Mutter ist die einzige Ausnahme.«
    »Warum? Ich hätte geglaubt, sie wäre die Letzte... «
    »Sie ist die Erste. Und die Einzige. Sie wird schweigen. «
    Manfredi hatte recht gehabt. Wenn er sich für ein Ja entschied, mußte er die Arbeiten seines Büros auf eine Weile unterbrechen und herumreisen, um Verbindung mit den Nachkommen Kesslers und von Tiebolts aufzunehmen. Das würde die Neugierde seiner Mutter wecken; und sie war nicht die Frau, ihre Neugierde zu unterdrücken. Sie würde Erkundigungen
einziehen, und wenn sie zufällig — auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering war — auf Informationen über die Millionen in Genf und Heinrich Clausens Rolle in dem gigantischen Diebstahl stieß, würde sie sehr heftig reagieren. Ihre Erinnerung an die paranoiden Verbrecher des Dritten Reiches waren ihrem Bewußtsein unauslöschbar eingeprägt. Wenn sie mit irgendwelchen Verlautbarungen an die Öffentlichkeit trat, würden die internationalen Gerichte die Gelder auf Jahre blockieren.
    »Und wenn sie sich nicht überzeugen läßt?«
    »Sie müssen sich eben Mühe geben. Der Brief ist überzeugend. Und wenn es nötig sein sollte, schalten wir uns ein. Jedenfalls ist es besser, wenn wir ihre Haltung von Anfang an kennen.«
    Was für eine Haltung mochte das sein? Althene war alles andere als die typische Mutter, zumindest nach seiner eigenen Vorstellung von Müttern. Er hatte schon sehr früh im Leben erkannt, daß Althene anders war. Sie paßte nicht in das Schema einer wohlhabenden New Yorker Matrone. Die Äußerlichkeiten waren alle vorhanden oder waren es gewesen: die Pferde, die Boote, die Weekends in Aspen und in den Hamptons; aber es fehlte ihr das krampfhafte Bemühen, von immer mehr Leuten akzeptiert zu werden und gesellschaftliche Macht auszuüben.
    Sie hatte das alles schon hinter sich. Sie hatte in den turbulenten dreißiger Jahren in Europa gelebt, eine junge, sorglose Amerikanerin, deren Familie nach der Depression noch etwas übrig hatte und sich fern ihrer weniger glücklichen Landsleute wohler fühlte. Sie hatten den englischen Hof ebenso wie die Emigranten-Salons in Paris gekannt ... und die schneidigen jungen Erben Deutschlands. Und aus jenen Jahren, die von Liebe, Erschöpfung, Abscheu und Wut geprägt waren, stammte ihre heitere Gelassenheit.
    Althene war ein ganz besonderer Mensch, Freundin ebenso wie Mutter, wobei ihre
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