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Der Hochwald

Der Hochwald

Titel: Der Hochwald
Autoren: Adalbert Stifter
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mit fast ruhiger Stimme sagte: »Ritter, wenn ihr etwas Näheres wisset, so sagt, so erzählt es uns; wir wissen nur das Eine - - sagt, Ritter, woher wißt ihr das Nähere?«
    »Ich war dabei.«
    »Ihr waret dabei, Bruno?« schrie Johanna aufspringend, »ihr seid dabei gewesen, Bruno?« rief sie mit den schmerzlichsten Tönen ihrer Seele. - »Um Gotteswillen, o so saget, wie war es, erzählt - nehmt diese furchtbare Last von meinem Herzen; mir ist, als wäre mir leichter, wenn ich Alles wüßte.«
    Da er unschlüssig zauderte, sagte Clarissa: »Ritter, seid barmherzig und erzählet.«
    »Ein Wald,« begann er, »war das eigentliche Unglück. - Euer Haus - - kein Finger hätte es angerührt; - weit links davon sollte der Zug gehen - aber Gallas hatte Völker gesandt, mich auf eignes Ansuchen mit, um in jenem Walde (er zieht sich rechts von hier gegen das Moldauthal ab) Schanzen aufzuwerfen, und den Feind zurückzuweisen. Friedbergs unglückliche Bewohner, die graben mußten, werden zeitlebens an den Schanzwald denken, und den Namen ihren Enkeln und Urenkeln einprägen; denn er war
ihr
und
unser
Unglück. Ich sah es voraus, wie es kam, und bat euren Vater noch Tags zuvor, er möge die Burg preisgeben, und zu euch flüchten; aber er verwarf den Antrag mit Entrüstung, weil ein Haufe Kaiserlicher unter seinem Befehle die Burg besetzt hielt. Harmlos, wie eine Schaar Wallfahrer mit klingenden Liedern stiegen die Schweden den schönen Wald heran. - - Es war schrecklich anzusehen, wie, da der Rauchwall aus unsern Gewehren sich verzog, ihre zerfetzten und blutenden Linien zurücktaumelten. Kein neuer Angriff ward mehr gewagt, die Kurzsichtigen unter uns jubelten, aber noch diese Nacht sahen wir den Brand Friedbergs, und des andern Tages, da die Schaaren schwollen, ward im furchtbaren Morden die Schanze gestürmt. Die Unsern zerstäubten, wie zerbrochenes Glas; ein Theil warf sich nach Wittinghausen, ich mit ihnen. O Clarissa, Alles wäre noch gut geworden. Der erste siegestrotzige Anfall wurde zurückgeschlagen - eine Woche verging schon - und noch eine, - der Feind, bereits abgekühlt und einsehend, wie wenig ihm eigentlich an dem Hause gelegen sein könne, hatte nur den Schein von Ehre zu wahren, und bot willig die Hand zur Unterhandlung. Da, eines schönen Morgens, sahen wir, gleichsam wie einen neuen Befehlshaber einen jungen Mann in prachtvollen Kleidern durch die Reihen der Belagerer reiten, gleichsam wie Anordnungen treffend.« - Clarissa mit halb geöffnetem Munde, athemlos, mit gespannten dürstenden Augen horchte hin. - »Wir begriffen nicht, was er wollte; die Anführer alle, Sture an der Spitze, standen ehrfurchtsvoll vor ihm. Es war gerade Waffenstillstandstag. Am andern Morgen ritt derselbe Mann - ach, wie wir glaubten, um zu kundschaften, ungewöhnlich nahe an die Mauern - und, wie es manchmal der Zufall will, der Helm entfiel ihm - ein ganzer Wall von blonden Locken rollte in diesem Augenblicke über seinen Nacken - -...«
    »War es nun Verblendung, war es Verhängniß, das sich erfüllen mußte, wir verstanden die Zeichen des Jünglings nicht, wie er so zuversichtlich vorritt, ja euer Vater mit allen Merkmalen höchster Ueberraschung sah lange und unverwandt auf ihn hin; - da sah ich nach und nach ein Roth in seine Wangen steigen, bis sie dunkel, wie in Zornesglut brannten. Ohne eine Silbe zu sagen, schleuderte er mit einem Male seine Lanze gegen den Reiter, nicht bedenkend, daß sie auf diese Entfernung gar nicht treffen könne - ach, sie traf auch nicht, die arme schwache unschuldige Lanze - allein sie wurde das Zeichen zu vielen andern, die Augenblicks von unsern Leuten flogen; auch hörten wir sogleich das Krachen unsrer Doppelhaken hinter uns. Von den Schweden sahen wir nur noch, wie viele vorsprengten, um den Reiter in ihre Mitte zu nehmen, wie er sank - und dann, ehe uns noch kaum Besinnung wiederkehren konnte - - war schon Sturm hier, dort, überall - wüthend von der Schwedenseite, wie nie - Rauch, daß kein Antlitz auf drei Schritte erkennbar war - - Clarissa, höret ihr?«
    »Weiter, weiter,« sagte sie angstvoll vorgebogen.
    »Es ist nichts mehr weiter - die Burg brannte, wir mußten ausfallen - - - ich wurde verwundet, besinnungslos, gefangen - - - - - «
    »Und ... ??« - -
    »Clarissa - Johanna - - Sture selbst ließ beide, ihn und den Knaben, kriegerisch ehrenvoll unter der Steinplatte vor dem Altare der Thomaskirche begraben, die freilich auch abgebrannt war - ich, verwundet und waffenlos,
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