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Der Hochwald

Der Hochwald

Titel: Der Hochwald
Autoren: Adalbert Stifter
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oder vergelbt am Strauchwerke hingen, und wie die Farrenkräuter, und die Blätter der Beeren und die aufgeschoss'nen Schafte gleichsam gesotten und schlapp herabhingen.
    Johanna war die erste am Gipfel des Felsens, und erhob ein lautes Jubeln; denn in der glasklaren Luft, so rein, als wäre sie gar nicht da, stand der geliebte kleine Würfel auf dem Waldesrande von keinem Wölklein mehr verdeckt, so deutlich stand er da, als müßte sie mit freiem Auge seine Theile unterscheiden, und der Himmel war von einem so sanften Glanze, als wäre er aus einem einzigen Edelsteine geschnitten.
    Clarissa hatte inzwischen das Rohr befestigt und gerichtet. Auf einmal aber sah man sie zurücktreten, und ihre Augen mit sonderbarem Ausdrucke auf Gregor heften. Sogleich trat Johanna vor das Glas, der Würfel stand darinnen, aber siehe, er hatte kein Dach, und auf dem Mauerwerke waren fremde schwarze Flecken. Auch sie fuhr zurück - aber als sei es ein lächerlich Luftbild, das im Augenblicke verschwunden sein müsse, drängte sie sogleich ihr Auge wieder vor das Glas, jedoch in derselben milden Luft stand dasselbe Bild, angeleuchtet von der sanften Sonne, ruhig starr, zum Entsetzen deutlich - und der glänzende, heiter funkelnde Tag stand darüber - nur zitterte es ein wenig in der Luft, wie sie angestrengten Auges hineinsah; dieß war aber daher, weil ihr Herz pochte, und ihr Auge zu wanken begann.
    Als sie sich nun ohnmächtig zurücklehnte, hörte sie eben, wie Clarissa mit schneebleichem Antlitze sagte: »Es ist geschehen.«
    »Es ist geschehen,« erwiederte Gregor; »mir ahnete gestern schon aus dem sanften unbeweglichen Wölklein - aber lasset mich es auch erblicken.«
    Mit diesem Worte schaute er in das Rohr, aber ob auch sein Auge durch Uebung vielmal schärfer war, als das der Mädchen, so sah er doch auch nichts anders, als sie: in schöner Klarheit einen gewaltigen Thurm von dem Waldrande emporstehen ohne Dach, und mit den schwarzen Brandflecken, nur schien es ihm, als schwebe noch eine ganz schwache blaue Dunstschichte über der Ruine. Es war ein unheimlicher Gedanke, daß in diesem Augenblicke dort vielleicht ein gewaltiges Kriegsgetümmel sei, und Thaten geschehen, die ein Menschenherz zerreißen können; aber in der Größe der Welt und des Waldes war der Thurm selbst nur ein Punkt. Von Kriegsgetümmel ward man gar nichts inne, und nur die lächelnde schöne Ruhe stand am Himmel und über der ganzen Einöde.
    Es ergriff hart das Herz des alten Mannes, daß er mit den Zähnen knirschte, jedoch er that nicht den geringsten Schmerzenslaut, sondern vom Rohre wegtretend, sagte er: »Da haben sie etwas davon, wenn sie das alte Dach abbrennen, wo man ohnedieß bald ein neues hätte setzen müssen. - Was er doch für ein erfahrner Kriegsmann ist, euer Vater; er hat es gerade so vorausgesagt. Tröstet euch nur, meine Kinder, - Clarissa, schaut nicht so schreckhaft auf einen Punkt hinaus!«
    »Ja,« erwiederte sie langsam, »das Dach ist verbrannt worden, das sehen wir, aber was noch geschehen ist, das sehen wir mit diesem Rohre nicht - - sagt, warum kommt euer Enkel Raimund nicht, warum keine Botschaft schon seit Wochen?«
    »Weil nichts entschieden war,« fiel Gregor ein; »gestern, vorgestern kann der Brand erst stattgefunden haben, darum wird und muß morgen oder übermorgen Botschaft eintreffen, ja wer weiß, ob sie nicht schon unser im Hause harret. Kommt, - es geschah, was wir voraus wußten. - Daß ein Haus verbrannt von durchziehenden Heerhaufen verbrannt wurde, ist nichts absonderliches, und wird oft in diesem Kriege geschehen sein.«
    »Aber zwei Menschen waren in diesem Hause ...«
    »Und Einer davon,« unterbrach er, »war einst ein großer Krieger, der gewiß für Abzug und Geleite, oder für ehrliche Haft unterhandelt haben wird.«
    »Und ein Andrer war dabei,« fuhr Clarissa fort, »der sagte, daß auf dem hochverehrten Haupte kein einzig Härchen sollte gelüftet werden.«
    »Und es wurde auch kein einziges gelüftet, wenn Ronald zugegen war ...«
    »Oder?«
    »Es ist auch auf
seinem
Haupte kein einziges mehr lebendig.«
    Zwei angstvolle Gesichter sahen in maßloser Bestürzung auf ihn.
    »Macht mich nicht selbst zum Thoren,« rief er unwillig aus, »und jagt mir nicht kindische Angst ein - ich sage euch ja, es ist nichts geschehen, weil's zu unvernünftig wäre - - darum gebt eure Sorge und euer Herz in Gottes Hand, und harret nach eures Vaters Willen auf die Entscheidung. Kommt, nehmt weg das Rohr, und lasset
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