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Der Hochwald

Der Hochwald

Titel: Der Hochwald
Autoren: Adalbert Stifter
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Lieben und ihr Hoffen in die Harfentöne, und Johanna sah sie liebreich und erbarmend an, in ihrem Herzen denkend, o, es ist nicht gut so - mir ahnt, es ist nicht gut so ...
    »Wie schön er ist, und wie hold er unsre Sprache redet,« sagte Clarissa plötzlich.
    »Aber,« entgegnete Johanna, »eines Tages wird er fortgehen und ein Held werden, wie sie sagen, d. h. er wird Menschenblut vergießen, wie die anderen, ohne um den Grund zu fragen, wenn nur Abenteuer und Gefahr dabei ist, und da wird er sich erst groß und würdig dünken. Klebt auch, wie du sagst, noch kein Tröpflein deutsches Blut an seinen Händen, so wissen wir nicht, ob es nicht in dem Augenblicke der Fall sein kann, als wir hier reden, oder morgen oder übermorgen - - es ist ein hartes gewaltthätiges Geschlecht - o wie hasse ich sie, diese Männer!«
    Clarissa lächelte selig und schüttelte sanft das Haupt.
    Endlich war ein Abend gekommen, der ungleich seinen grauen Vorgängern so rein und kalt, wie eine aus Gold gegoss'ne Kuppel über dem Walde stand, und auch
blieb
, ja des Nachts sich mit einem Uebermaß der Sterne füllte, daß man meinte, sie hätten nicht Platz und einer berühre den andern.
    Eine sehr kalte Nacht folgte, und als die Sonne aufgegangen, stand der ganze Wald in weißem Reife da, in lauter weißen Funken brennend und glitzernd, so dicht, als wäre Nachts der ganze Sternenhimmel auf ihn herabgesunken.
    Gregor gab nicht zu, daß man im Reife und der Morgennässe aufbreche, sondern erst gegen Mittag, als der ungewöhnlich kalten Nacht eine ungewöhnlich heiße Sonne gefolgt war, traten sie den Weg auf den ersehnten Blockenfels an.
    Sie waren jetzt lange nicht dort gewesen. Wie verändert war der Wald! - Bis ins fernste Blau zog sich das Fahlroth und Gelb des Herbstes, wie schwache blutige Streifen durch das Dämmerdunkel der Nadelwälder gehend, und alles war ruhig, gleichsam ergeben harrend, daß es einschneie. Nur der Himmel, so lieb und rein, wie einst, ohne ein einzig Wölklein, zog über die schweigsame Waldestrauer hinaus. Johanna fand durchaus den kleinen blauen Würfel nicht am Waldesrand, wie sehr sie ihr Auge auch anstrengte, und wie klar und fast wesenlos die Herbstluft auch war. Clarissa, wie gewöhnlich, richtete das Rohr - - aber auch sie fand das Schloß nicht, sondern rückte und rückte am Waldessaume entlang, und wieder zurück, sie sah wohlbekannte Biegungen und Linien, in deren Nähe das Schloß sein sollte, - - endlich erklärte sich das Räthsel: wenn auch nicht am ganzen Himmel, so lag doch an dem fernen Waldsaume ein kleines Wölklein gerade da, wo sie das Vaterhaus sehen sollten. Gregor glaubte, sie sollen ein wenig warten, etwa vergehe es bald, wenn es nicht sei, wie im Herbste so oft, daß der Nebel an einem einzigen kleinen Punkte anzuschießen beginne, wie ein unbedeutend Wölklein, das hereinhängt, bis er sich schnell vergrößert, und endlich ganze Waldstrecken einhüllt. Wenn Letzteres der Fall ist, wird morgen gewiß schlechtes Wetter sein, und dann harren sie vergebens.
    Sie warteten. -
    Aber weder vergrößerte sich das Wölklein sonderlich, noch auch verzog es sich, bis sogar der Greis darauf drang, die Sache für heute ganz aufzugeben, da der Nachmittag jetzt so kurz sei, und sie doch bei zwei Stunden brauchen könnten, bis sie in ihr Haus kämen. Morgen sei gewiß allen Anzeichen nach ein noch schönerer Tag, und er werde sie sodann so früh, als möglich heraufführen. Noch drei-, noch viermal sahen sie durch das Rohr, aber ohne Erfolg, und sie trennten sich endlich ungern und unruhig von dem Platze. - Man langte zu Hause an. Dieselbe goldne wunderschöne Kuppel, wie gestern, baute sich auch heute Abend über die dunklen abendfrischen Waldhöhen auf, und dasselbe Wimmeln der Gestirne folgte, wie gestern, aber fast noch dichter, als sänke der ganze Himmel in einem leisen lichten Schneeregen nieder, woraus der Alte einen noch klareren Tag prophezeite.
    Alles suchte die Ruhe. Gregor verbrachte eine schwere kummervolle Nacht.
    Endlich kam der Morgen. Dieselbe spiegelreine Sonne stieg herauf, wie gestern, und beleuchtete den Reif, der schnell so Blatt als Gras der Veralterung und dem Verfalle entgegenführte. Die Mädchen drängten den Greis, aber er hieß sie die reine Mittagsluft erwarten.
    Endlich brachen sie auf, wieder von einer fast heißen Sonne geleitet. Im Emporsteigen konnten sie recht die Verwüstungen des Frostes betrachten, wie noch rückgebliebene Blätter rostbraun oder blutroth
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