Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hochwald

Der Hochwald

Titel: Der Hochwald
Autoren: Adalbert Stifter
Vom Netzwerk:
von irgend einem menschlichen Wesen bewohnt. Ja man sah sogar über den Weideboden, der zwar noch nicht beschneit, aber fest gefroren war, einen Reiter eilig dem Trümmerwerke zureiten. Er zwang das Pferd durch den weit klaffenden Thorweg über herabgestürzte Steintrümmer hinein, band es, nachdem er abgestiegen, an die Stange eines eisernen Fenstergitters, von dessen Simse noch das geschmolzene Glas wie schmutziges Eis herabhing, wandte sich dann schnell weg, und drang durch das halbverschüttete Thor in das Innere des Thurmes. Hier durch ausgebrannte Thüren und Fenster glotzten ihn Gänge und Gemächer an, die ihm schauerlich fremd vorkamen, und aus ihren Höhlungen wehte eine ungastliche Luft. Dennoch entdeckte er bald eine hölzerne Treppe, aus noch frischen Bäumen gezimmert, und mit gehauenen Pfosten überdeckt. Er stieg sie hinan, und gelangte in einen Gang und in ein Vorgemach, dessen Decke nicht eingestürzt war. Wie er durch den finstern Gang schritt, sah er einen alten Mann stehen, aber er achtete dessen nicht, sondern pochte an das Gemach. Ein weibliches Gesicht wurde durch das geöffnete Schubfach der Thüre sichtbar.
    »Susanna,« sagte der Fremde mit sanfter Stimme, »darf ich eintreten?« Die Magd öffnete sogleich die Thür, führte ihn durch das Gemach, und öffnete ihm gegenüber wieder eine Thür, die in ein weiteres erhaltenes Zimmer führte. Er trat ein.
    Eine der zwei darinnen sitzenden schwarzgekleideten Gestalten erhob sich sogleich und trat ihm mit den Worten entgegen:
    »Seid uns von ganzem Herzen willkommen, Ritter.«
    Er heftete sein dunkles Auge mit traurigem Glanze auf ihre blassen Züge - - ja es war Clarissa, die vor ihm stand, und von deren schöner Gestalt das schwarze Trauerkleid herniederwallte. Seitwärts saß Johanna - ein Antlitz, weiß wie Alabaster, sah aus der schwarzen Florhülle zu dem Ritter herüber, und die Tropfen, die auf die Wangen flossen, jagten sich schneller, seit sie ihn sah, und sich nach Sprache bemühte, ihn zu grüßen. Er mit dem düsterschönen Ausdrucke seines Wesens stand auch einige Augenblicke sprachlos, und blickte auf das mit schlechtem Papiere verklebte Fenster, unfähig ein einzig Wort herauszubringen, da auch Clarissa schwieg, und ihr Mund und ihre Wimpern vergeblich zuckten, um die Thränen zurückzuhalten. Sie schob ihm einen Stuhl hin, er aber trat zu Johannen, und ergriff ihre Hand, sie sanft und fest in seine drückend.
    »Weil ihr nur da seid,« sagte diese endlich schluchzend, »weil nur einmal ein Mensch da ist.«
    »Zürnet mir nicht,« entgegnete er ihr, »es sind erst fünf Tage, seit ich frei bin, und diese bin ich fast unausgesetzt geritten, um euch zu suchen.«
    »So waret ihr gefangen?«
    »Ich war gefangen, sonst wäret ihr nicht so lange ohne Hilfe geblieben - nun aber bin ich da, und bitte euch inständig, nehmt Alles, was ich bin und habe, zu eurer Hülfe und eurem Dienste. Meine Burg an der Donau ist zwar auch verbrannt, und noch mehr zusammengestürzt, als diese; - es thut nichts, ich brauche sie nicht, und baue sie auch nicht mehr, bis einmal Friede im Lande ist. Einige Mittel aber habe ich geborgen, und die wollen wir vorerst anwenden, um dieses euer Haus in etwas wohnlicheren Stand zu setzen.
Hieher
wird nicht so leicht mehr ein Feind kommen; denn der Uebergang war höchst schwierig, und von unbedeutenden Folgen. Sie stehen jetzt Alle in Winterquartieren.«
    Mit einem schmerzhaft freundlichen Schimmer ihrer aufrichtigen Augen reichte ihm Clarissa die Hand hin, indem sie sagte: »So seid ihr wieder der erste, wie immer, der da kommt zu helfen, ihr, gegen den ich immer so undankbar gewesen bin.«
    »Lasset das jetzt, Clarissa,« erwiederte er mit trübfunkelnden Augen, »lasset das, es ist vorüber, und ich bin nichts, als euer Vetter und Bruder - - wie hätte ich auch ahnen können. - - Wäret ihr von jeher vertrauender gegen Alle gewesen, so hätte ich euch nie mit Werbung gequält, und wahrscheinlich wäre das Letzte auch nicht geschehen - -.«
    »So wisset ihr - - ?«
    »Ich weiß, Clarissa, ich weiß - - -.«
    »Auch er - ist es so - auch er!?«
    »Auch er.«
    Clarissa's Antlitz zuckte jäh hinüber, und haschte nach Athem; ein maßloser Schmerz lag darauf, ja sogar etwas, wie Grimm, als sie das Auge gegen das Fenster wandte, wie gegen einen blinden Himmel - und secundenlang starrte, weil sie kämpfte. - -
    Noch war es fast wie Hohnlächeln in ihren Zügen, unheimlich anzusehen, als sie das Angesicht zurückwendete und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher