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Der Hintermann

Der Hintermann

Titel: Der Hintermann
Autoren: Daniel Silva
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Kasse aus und übte in Gedanken, was sie ihm gleich sagen wollte. Aber als der Restaurator anfing, seine Einkäufe aufs Band zu legen, brachte sie doch nur ihr übliches »Morgen, mein Lieber« heraus.
    Irgendetwas an Dotties Tonfall brachte den Restaurator dazu, sie kurz misstrauisch zu mustern. Dann fiel sein Blick auf die neben der Kasse gestapelten Zeitungen, und er runzelte die Stirn, während er einen verknitterten Zwanziger aus seiner Jeanstasche holte. »Augenblick«, sagte er plötzlich und griff nach einem Exemplar der Times . »Die auch.« Dottie steckte die Zeitung mit in die Tragetasche und sah Mr.   Rossi nach, als er den Laden verließ. Dann beugte sie sich hinüber zu dem Stapel, um selber einen Blick auf die Times zu werfen. Der Aufmacher betraf den bevorstehenden Sturz des Regimes in Syrien, und gleich darunter stand ein Bericht über einen Tizian, den die National Gallery in London vor Kurzem anonym als Schenkung erhalten hatte. In Gunwalloe hätte niemand vermutet, zwischen diesen beiden Meldungen könnte ein Zusammenhang bestehen. Und das würde auch zukünftig niemand tun.
    Während die National Gallery die anonyme Schenkung in einer schwammig formulierten Pressemitteilung würdigte, kursierte auf den Fluren der britischen Geheimdienste eine inoffizielle Version der Ereignisse, die in etwa folgendermaßen lautete: Mit Wissen und vollem Einverständnis des MI5 hatte der legendäre israelische Geheimagent Gabriel Allon höchst clever eine Versteigerung des ehrwürdigen Auktionshauses Christie’s manipuliert, um Raschid al-Husseinis Terrornetzwerk mehrere Millionen Pfund zukommen zu lassen. Auf diese Weise war ein frisch entdecktes Werk Tizians in die Sammlung der saudi-arabischen Milliardärin Nadia al-Bakari gelangt. Aber nach ihrem Tod war es seinem rechtmäßigen Eigentümer, dem bekannten Londoner Kunsthändler Julian Isherwood, unauffällig zurückgegeben worden. Aus verständlichen Gründen spielte Isherwood anfangs mit dem Gedanken, das Gemälde zu behalten, überlegte sich die Sache aber rasch anders, als der besagte Allon ihm eine weit noblere Lösung vorschlug. Daraufhin nahm der Kunsthändler Kontakt mit einem alten Freund in der National Gallery auf – einem Experten für Alte Meister, der unwissentlich an dem ursprünglichen Täuschungsmanöver mitgewirkt hatte – und setzte so eine der bedeutendsten Schenkungen, die britische Museen in den letzten Jahren erhalten hatten, in Gang.
    »Übrigens habe ich noch keinen einzigen Cent von der CIA bekommen, mein Lieber.«
    »Ich auch nicht, Julian.«
    »Sie bezahlen dich nicht für diese kleinen Aufträge, die du ständig für sie übernimmst?«
    »Anscheinend halten sie meine Dienste für ums Gemeinwohl geleistete ehrenamtliche Tätigkeiten.«
    »Ja, genau das sind sie wohl.«
    Sie waren auf dem Küstenwanderweg unterwegs. Isherwood trug Tweed wie ein adliger Landbesitzer und dazu Gummistiefel. Er bewegte sich so klapprig, dass Gabriel wie immer dem Drang widerstehen musste, eine Hand auszustrecken und ihn zu stützen.
    »Verdammt, wie lange willst du mich hier noch marschieren lassen?«
    »Wir sind erst fünf Minuten unterwegs, Julian.«
    »Was bedeutet, dass wir die Weglänge von der Galerie zur Bar im Green’s, die ich zweimal täglich zurücklege, schon lange hinter uns gebracht haben.«
    »Wie geht es Oliver?«
    »Wie immer.«
    »Benimmt er sich?«
    »Natürlich nicht«, sagte Isherwood. »Aber er hat kein Sterbenswörtchen über seine Rolle in deinem kleinen Gaunerstück verloren.«
    »In unserem kleinen Gaunerstück, Julian. Du hattest auch damit zu tun.«
    »Ich war von Anfang an mit dabei«, antwortete Isherwood. »Für Oliver aber ist das alles neu und aufregend. Er hat weiß Gott seine Fehler, doch unter all der Aufgeblasenheit schlägt unter seiner rauen Schale das Herz eines Patrioten. Wegen Oliver brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Bei ihm ist dein Geheimnis sicher.«
    »Andernfalls bekommt er Besuch vom MI5.«
    »Ich glaube, ich würde sogar dafür bezahlen, um das zu sehen.« Isherwood wurde langsamer. »Dort vorn gibt es nicht zufällig ein Pub? Ich spüre, dass ich allmählich einen Drink brauche.«
    »Dafür ist später Zeit. Du brauchst Bewegung, Julian.«
    »Wozu?«
    »Damit du dich besser fühlst.«
    »Ich fühle mich gut, mein Lieber.«
    »Willst du deshalb, dass ich die Galerie übernehme?«
    Isherwood blieb stehen und stemmte die Arme in die Hüften. »Nicht nächste Woche«, sagte er. »Nicht nächsten
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