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Der Himmel schweigt

Der Himmel schweigt

Titel: Der Himmel schweigt
Autoren: Martin Delrio
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sie eine Gestalt. Tief unter ihr bewegt sich ein Schatten. Ein menschlicher Schatten. Tara schaut genauer hin.
    Das ist eine Frau, denkt sie. Und sie bewegt sich wie - wie ...
    Der Aufzug erreicht den Boden genau in dem Moment, als die Schattenfrau vortritt. Tara zieht überrascht die Luft ein, bewahrt aber die Fassung.
    »Katana!«, stößt sie aus.
    »Ja«, bestätigt die andere Frau. »Ich bin zurück. Deinetwegen bin ich zurückgekommen.«
    »Ich wusste, du bist loyal. Aber warum hast du mir nichts gesagt?«
    »Weil es nicht annähernd so befriedigend wäre, dir in einem Mech gegenüberzutreten, als dich ...« - zwei Schwerter gleiten flüsternd aus der Scheide - »... im Zweikampf zu vierteilen.«
    Tara lässt sich nach hinten fallen und entgeht den Schwerthieben, die durch die Luft zischen, wo sie eben noch gestanden hat. Sie rollt in den Stand ab und täuscht nach rechts an. Das Katana - das Langschwert der Samurai - ist keine Waffe, der man mit bloßen Händen gegenübertritt. Ihr bleibt jedoch keine Wahl: Die Eingangshalle des Senats ist nicht gerade üppig mit Material für improvisierte Waffen ausgestattet.
    »Ich amüsiere mich prächtig«, stellt Katana Tormark fest.
    Das Schwert in ihrer rechten Hand pfeift durch die Luft, als sie es in einer wirbelnden Abwärtsbewegung vorstößt, dabei Taras Bewegung folgend. Die zweite Klinge zuckt auf Hüfthöhe von der Seite heran.
    Wieder zieht Tara sich zurück und dreht sich, um dem singenden Stahl auszuweichen.
    »Katana!«, ruft sie. »Was tust du hier? Und warum .«
    Wieder springt sie davon. Fast zu spät. Der Angriff hat den Stoff über ihrer Brust zerschnitten.
    »Du hast mich hergelockt.«
    »Nein, das war ich.«
    Die Stimme ertönt hinter den beiden Frauen. Eine Männerstimme. Die des Wachtpostens. Wie kommt der hierher?, fragt sich Tara in dem Sekundenbruchteil, bevor Katana beide Klingen durch die Stelle zieht, an der Tara steht. Aber statt den Biss des Stahls in ihrem Fleisch zu spüren, sieht sich Tara plötzlich einem Wachsoldaten mit gezückter Pistole gegenüber.
    »Was haben Sie mit Tara Campbell getan?«, fragt er.
    Das Licht ist schummrig, und es wird immer schwächer. Und Tara ist .
    . wach, und hatte sich in den Decken ihres Betts verheddert. Durch das Quartierfenster knallte ihr das Morgenlicht ins Gesicht. Sie blieb einen Augenblick lang reglos liegen und wartete, bis der Adrenalinschub des Albtraums abklang. Schließlich gab sie den Versuch auf, sich zu entspannen, und setzte sich auf.
    »Das mit dem Schlafen kann ich wohl vergessen«, stellte sie laut fest. »Ich werde zur Rüstkammer gehen und in einem Simulator gegen etwas kämpfen, das weiß, dass es eine Simulation ist, und von dem ich weiß, dass es eine Simulation ist, und ich werde so lange dagegen kämpfen, bis es tot ist.«
    Sie stand auf und zog sich hastig eine schmucklose Gefechtsmontur an. Nach kurzer Überlegung holte sie einen dunklen Frotteebademantel aus dem Schrank und stopfte ihn zusätzlich in die Sporttasche, in der sich schon Neurohelm und Kühlweste befanden. Ein Simulatorgefecht war beinahe so heiß und schweißtreibend wie ein Kampf in einem echten BattleMech - wäre dies anders gewesen, hätte es kaum zum Training getaugt -, und sie wollte kein Risiko eingehen, sich einen Schnupfen einzufangen, wenn sie aus der Simulatorkanzel in die kältere Hallenluft kam.
    Das Hauptgeschoss der Rüstkammer war so gut wie verlassen, als sie eintraf. Sie grüßte den Feldwebel vom Dienst an der Rezeption, teilte ihm mit: »Falls jemand nach mir sucht, die nächste Stunde etwa bin ich bei einem Mechgefecht im Simulator.« Und Minuten später trieb sie die letzten Überreste ihres Albtraums in einem Kampf zwischen einem einzelnen Tomahawk auf der einen und zwei Panzern, einem Schweber und einem Zug Panzergrenadieren auf der anderen Seite aus. Innerhalb von fünfzehn Minuten verwandelte sie die Panzer und den Schweber in qualmende Schrotthaufen, aber die Infanteristen erwiesen sich als hartnäckiger. Die Hälfte des Zugs deckte ihren Mech mit Gewehrfeuer und Granaten ein, um sie von einem Geschütztrupp abzulenken, der eine Laserkanone in Stellung zu bringen versuchte. Das simulierte Katz-und-Maus-Spiel mit scharfen Waffen zog sich fast eine halbe Stunde hin und hatte noch keine Entscheidung gefunden, als der Kommunikator im Innern des Simulators krachte und rauschte.
    »... Oberst Michael Griffin ...«, hörte sie zwischen schweren Störungen heraus.
    Der Tonempfang aus der Halle
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