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Der Himmel schweigt

Der Himmel schweigt

Titel: Der Himmel schweigt
Autoren: Martin Delrio
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Republik der Sphäre
    November 3132, Winter
    Tara Campbell verließ den Mechsimulator so schnell es ging. Sie hatte die dicke Kühlweste schon beinahe abgestreift, als ihre Füße den Boden der Rüstkammer berührten.
    Jetzt war sie froh, dass sie daran gedacht hatte, den dunklen Bademantel mitzubringen. Falls die Neuigkeiten Oberst Michael Griffins dringend genug erschienen, die Präfektin der Präfektur III aus einer Trainingssimulation zu holen, hatte sie bestimmt keine Zeit mehr, zurück in die Umkleidekabine zu gehen und sich anzuziehen - und sie war nicht versessen darauf, eine Notfallbesprechung nur in knapper, schweißdurchtränkter Unterwäsche abzuhalten. Diesem Aufzug hätte es entschieden an Würde gefehlt, und eine Präfektin, die alle Welt - sie selbst eingeschlossen - für zu jung für eine derartig wichtige Position hielt, brauchte jedes Quäntchen Würde.
    Sie zog den Mantel an und schnürte ihn fest zu, dann lief sie eilig über den polierten Boden der Rüstkammer zu dem Gespräch mit Griffin. Sie hätte es vorgezogen, noch duschen zu können, denn selbst in einem Simulator geriet ein MechKrieger unvermeidlich stark ins Schwitzen. Aber der Offizier hatte erklärt, seine Nachrichten seien dringend, und Tara wollte keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass sie derartige Botschaften ernst nahm. In die eleganten Fußstapfen Herzogin Katana Tormarks zu treten, war schwer genug, auch ohne ausgerechnet die Personen vor den Kopf zu stoßen, auf deren Hilfe sie dabei angewiesen war.
    Oberst Griffin war ein hagerer Mann mit kurz geschorenem braunem Haar und einem buschigen, aber sauber gestutzten Schnurrbart. Seine Uniform war frisch und makellos gebügelt, und die Orden auf seiner Brust kündeten von einer überaus respektablen, wenn auch nicht gerade Aufsehen erregenden Laufbahn. Im gelben Sonnenlicht, das durch die hoch in der Kuppeldecke der Rüstkammer gelegenen Fenster fiel, hätte er als Gemälde über Glanz und Gloria des Militärs alter Zeiten durchgehen können. Bei seinem Anblick war sich Tara ihrer eigenen schweißnassen Haare und improvisierten Bekleidung noch bewusster als zuvor.
    Sie schob das Kinn vor. Sie war eine MechKriegerin und eine Campbell von Northwind, ganz gleich, was sie trug oder nicht trug
    - und kein simpler Infanterieoberst würde auf sie niederstarren. Auch wenn sie den Verdacht hegte, dass es nicht Griffins Stellung als Feldoffizier war, die ihn heute hergeführt hatte, sondern seine zweite Position als leitender Offizier des Nachrichtendienstes für das Regiment hier auf Northwind.
    »Oberst Griffin«, begrüßte sie ihn mit ihrem geübtesten gnädigen Lächeln. Eine Kindheit als Vorzeigeschätzchen der diplomatischen Gesellschaft hat selbst in meiner heutigen Position noch gelegentliche Vorzüge. Wenn es unbedingt notwendig war, konnte sie beinahe jeden bezaubern. »Ich fürchte, der Simulator ist ein ausgesprochen schlechter Ort, wenn es darum geht, Mitteilungen von außen zu verstehen. Sie sagten etwas von wichtigen Nachrichten?«
    »In ein paar Tagen trifft ein Landungsschiff auf dem Raumhafen von Northwind ein«, stellte Oberst Griffin fest. »Es hat sich über Funk angekündigt. An Bord befindet sich ein Paladin, der uns hier auf Northwind unterstützen soll.«
    Tara spürte, dass ihr Lächeln eine zynische Note erhielt, und fühlte angesichts dieser Reaktion einen bedauernden Stich im Innern. Es hatte eine Zeit gegeben, als die Ankündigung eines in Kürze eintreffenden Paladins eine an Heldenverehrung grenzende Vorfreude in ihr ausgelöst hätte, auch ohne irgendeine Information über die Identität des Ankömmlings. Aber das war gewesen, bevor Katana Tormarks Verrat ihr die Verantwortung für Frieden und öffentliche Ordnung in der Präfektur III aufgebürdet hatte. Unter den derzeitigen Umständen war damit zu rechnen, dass sich ein derartiges - ungebetenes - Geschenk des Exarchen früher oder später als zweischneidiges Schwert erwies.
    »>Nur ein Paladin?<«, fragte sie mit der Anfangszeile eines alten Witzes.
    »>Nur ein Planet<«, beendete ihn Griff in.
    Sie entspannte sich etwas. Offenbar teilte der Oberst ihre gemischten Gefühle über die unerwartete Hilfe aus dieser Ecke. »Ich vermute mal, weder der Exarch noch der Senat haben sich die Mühe gemacht, uns darüber zu informieren, bei der Lösung welchen Problems uns dieser Paladin unterstützen soll?«
    Sollte sich herausstellen, dass es nur Katana Tormarks unerwartete Desertion zu Des Drachen Zorn gewesen
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