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Der Hexer - NR48 - Geistersturm

Der Hexer - NR48 - Geistersturm

Titel: Der Hexer - NR48 - Geistersturm
Autoren: Verschiedene
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gespielt hatten. Ihr Gesicht war wieder jung und schön wie immer.
    Sie schien endlich gefunden zu haben, wonach sie suchte. Mein Verdacht bestätigte sich. Sie trat direkt zu dem Kamin mit dem Ölbild darüber, hinter dem sich der Wandsafe mit den SIEGELN DER MACHT verbarg. Sie riß das Bild achtlos herunter. Irritiert schaute sie die Drehknöpfe einen Moment lang an und machte sich dann an den Zahlenschlössern zu schaffen. Dabei murmelte sie ein einzelnes Wort; nein, kein Wort, mehr ein kehliger, unglaublich düster klingender Laut, der geeignet war, jedem Menschen einen Knoten in die Stimmbänder zu zaubern.
    Ich zuckte zusammen. Eine Gänsehaut rann über meinen Rücken, und ich glaubte für einen Sekundenbruchteil die Anwesenheit von etwas ungeheuer Fremdartigen zu spüren, das durch ihren Ruf herbeigelockt worden war. Obwohl sie nur leise gesprochen hatte, schien der düstere Laut von den Wänden widerzuhallen und bei jedem Echo noch an Stärke zu gewinnen.
    Ich durfte nicht mehr länger zögern. Auch wenn Priscylla die Kombination des Safes nicht kannte, war ich mir plötzlich gar nicht mehr sicher, ob sie ihn nicht trotzdem zu öffnen vermochte. Es war nicht das erste Mal, daß ich einen Laut wie diesen gehört hatte. Sie hatte ein Wort der Macht gesprochen; ein sicherer Beweis, daß sie unter den Einfluß eines fremden Willens geraten war, bei dem es sich nur um ein gespenstisches Eigenleben der SIEGEL in dem Safe handeln konnte.
    »Laß es, Pri«, sagte ich und trat an sie heran, um sie zurückzuziehen. Noch bevor ich sie berühren konnte, fuhr sie blitzartig herum.
    Ein eisiger Splitter schien in mein Herz zu fahren.
    Wahnsinn und unmenschlicher Haß hatten Priscyllas Gesicht verzerrt. Ihr Mund war weit aufgerissen; Schaum stand vor ihren Lippen. Ihre Augen waren auf entsetzliche Art verdreht, so daß fast nur noch das Weiße der Augäpfel zu sehen war.
    Ohne auch nur auszuholen, versetzte sie mir mit der Hand einen Schlag, der mich quer durch den Raum schleuderte, bis eines der Regale meinen Sturz reichlich unsanft abbremste. Abermals splitterte Holz.
    Halb ohnmächtig sank ich an der Wand entlang zu Boden.

    * * *

    Binnen weniger Stunden hatte Zimmer siebenunddreißig ein völlig anderes Gesicht angenommen, auch wenn es weniger an den äußerlich sichtbaren Veränderungen lag. Der Raum war geputzt worden, das Bett frisch bezogen und zwei weitere Betten hineingestellt worden. Die Atmosphäre war wieder steril, wie in fast jedem Krankenzimmer, das nicht belegt war, zumindest so lange nicht, bis in wenigen Stunden neue Patienten eintreffen würden.
    Es ist, als ob Priscylla gestorben wäre, dachte Denham. Und im Grunde machte es für ihn auch keinen Unterschied, aus welchem Grund sie das Sanatorium verlassen hatte. Für ihn war sie tot, ihm blieben nur die Erinnerungen. Alles, was auf ihre Anwesenheit hingedeutet hatte, war verschwunden. Ihre Sachen hatte sie mitgenommen, den Blumenstrauß, den er ihr vor zwei Tagen geschenkt hatte, hatten die Putzfrauen weggeworfen. Es war, als ob auch ein Teil von ihm selbst gestorben wäre.
    Denham saß auf einem Stuhl und starrte ins Nichts.
    Er begriff nicht, was mit ihm geschah. Die Frau hatte irgend etwas mit ihm gemacht, hatte ihn verzaubert, und er kam nicht dagegen an. Wenn er die Augen schloß, sah er sie immer noch in ihrem Bett liegen, glaubte er ihre Stimme zu hören und den Duft ihres Parfüms zu riechen. Er glaubte wieder ihre weichen Lippen auf seinem Mund zu spüren, und seine Hände schienen über ihren vollendeten Körper zu gleiten.
    Er war verwirrt wie nie zuvor, fühlte sich elend und schwach wie nach einer langen, schweren Krankheit. Er hatte Williams erklärt, daß ihm nicht gut wäre, und den Kollegen gebeten, seine Krankenbesuche mit zu übernehmen, um sich nach dem Abzug der Putzfrauen und Krankenschwestern in diesem Zimmer zu verkriechen. Er mußte Ruhe in seine aufgewühlte Gefühlswelt bringen. Wenn es ihm nicht gelang, seine Empfindungen in den Griff zu bekommen und sich über sich selbst klar zu werden, würde er die Trennung nie überwinden.
    Denham schluckte und wischte sich eine Träne aus den Augenwinkeln. Es lag lange zurück, daß er zuletzt geweint hatte, so lange, daß er sich kaum noch daran erinnern konnte.
    Aber jetzt weinte er wie ein kleines Kind.
    Hatte er Priscylla wirklich geliebt? War es überhaupt möglich, sich in so kurzer Zeit derart in einen Menschen zu verlieben, daß die Trennung ihm solchen Schmerz bereitete?
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