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Der Hexer - NR47 - Stadt der bösen Träume

Der Hexer - NR47 - Stadt der bösen Träume

Titel: Der Hexer - NR47 - Stadt der bösen Träume
Autoren: Verschiedene
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Straßen, in denen ich mich schon nach wenigen Yards hoffnungslos verirrt hätte. Die El-o-hym fand den Weg mit traumwandlerischer Sicherheit.
    Mir fiel auf, daß sie immer wieder den Kopf zum Himmel wandte. Man konnte das Sinken der Sonne fast mit bloßem Auge verfolgen. Es sah aus, als würde der glutrote Ball von den spitzen Türmen aufgespießt, und mit jeder Handbreit, die er sich tiefer senkte, schien Shadow ein wenig von ihrer Stofflichkeit einzubüßen.
    Wir rannten mittlerweile so schnell, wie wir nur konnten, durch die endlosen toten Straßenschluchten. Die Fenster der Gebäude erschienen mir wie höhnisch starrende Fenster, und die türlosen Eingänge wie gierig aufgerissene Mäuler.
    Dann versank auch der letzte Zipfel der Sonne hinter den Dächern.
    Im gleichen Moment brach Shadow zusammen. Sie taumelte und versuchte, sich an einer Hauswand abzustützen, bevor sie vollends den Halt verlor und zu Boden stürzte. Mit zwei Schritten war ich bei ihr und ließ mich auf die Knie sinken. Ihr Gesicht war von Schmerz verzerrt.
    »Flieh, Robert«, wimmerte sie. »Es... es ist nicht mehr weit. Das große Haus am... am Ende der Straße. Lauf weg.«
    Ich schüttelte den Kopf. Wie fortgewischt war aller Zorn, den ich zuvor für sie empfunden hatte. Ich wußte nicht, was mit ihr geschah, aber keinesfalls würde ich sie noch einmal allein lassen, nicht um alles in der Welt.
    »Nein«, stöhnte sie mit ersterbender Stimme.
    Sie zitterte am ganzen Körper, dennoch bäumte sie sich auf und hob die Hand, als versuchte sie mich fortzuscheuchen. Die Bewegung war so schwach, daß ich sie fast nur ahnen konnte. »Lauf«, hauchte sie noch einmal. »So lauf doch endlich!«
    Wieder schüttelte ich stur den Kopf. Ich beugte mich über sie und versuchte sie aufzurichten. Es blieb beim Versuch.
    Eine bläulich funkelnde Aura breitete sich über ihren Körper aus. Ein Blitz zuckte auf, und Strom von ungeheurer Intensität fuhr wie ein feuriges Schwert durch meinen Arm, als ich sie berührte. Ich schrie auf und wurde von einer unsichtbaren Faust zurückgeschleudert. Ein stechender Schmerz fuhr durch meinen Rücken, als ich auf das Pflaster prallte. Der Stockdegen entglitt meinen Fingern, ohne daß ich es bemerkte. Noch immer schreiend richtete ich mich auf und kroch auf Händen und Knien zu Shadow zurück.
    Zu dem Wesen, das einmal Shadow gewesen war.

    * * *

    Wie ein Geflecht blutigroter Flammen trafen die letzten Sonnenstrahlen Shadows Körper und hüllten ihn ein. Dennoch erkannte ich sofort, daß die grauenvolle Veränderung, die sie durchmachte, nicht allein darauf zurückzuführen war. Ihre Haut schien in Sekundenschnelle um Jahre zu altern, zerfloß vor meinen Augen, und irgend etwas Anderes, Rötliches kam unter der Maske ihrer engelhaften Züge zum Vorschein.
    »Flieh doch, Robert«, wimmerte sie noch einmal mit letzter Kraft.
    Entsetzt prallte ich zurück. ›Nein!‹ hämmerte eine Stimme in mir Nein, nicht DAS!
    »Shadow!« schrie ich und wußte gleichzeitig, daß sie mich nicht hörte.
    Ich hatte schon einmal, ein einziges Mal nur, erlebt, daß der andere Teil ihres Ichs die Oberhand über ihren Körper gewann. Die ganze Zeit über, die ich sie gekannt hatte, hatte ich geglaubt, daß sie den finsteren Teil ihrer Seele niedergerungen hätte, und erst jetzt wurde mir bewußt, daß ich mich die ganze Zeit einer Täuschung hingegeben hatte. Wie in jedem Menschen ruhten auch in der El-o-hym Gut und Böse nebeneinander, aber trotz der Entwicklung, die sie durchgemacht hatte, war sie niemals ganz ein Mensch geworden. In ihrem Charakter rangen ständig die beiden absoluten Extreme miteinander um die Oberhand über den Körper. Ich hatte sie als Engel kennengelernt, als Wesen des überirdisch Guten. Doch zugleich verkörperte sie auch das gestaltgewordene Böse.
    Den Teufel, oder wie immer Menschen es genannt hatten.
    Einige Sekunden war ich unfähig, mich zu rühren, erstarrte mitten in der Bewegung. Es waren genau die Sekunden, die sie brauchte, um ihre Verwandlung zu vervollkommnen. Als ich endlich wieder zu mir kam, war es bereits zu spät, um noch rechtzeitig zu reagieren.
    Ein Hieb der dunklen Fledermausschwingen, zu denen ihre strahlenden Flügel geworden waren, traf mich mit aller Wucht. Ich wurde von den Füßen gerissen und meterweit zurückgeschleudert. Für einen Sekundenbruchteil wußte ich nicht mehr, wo oben und wo unten war. Instinktiv riß ich die Arme hoch und schützte meinen Kopf.
    Der Aufprall betäubte mich
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