Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hexer - NR33 - Wer die Götter erzürnt

Der Hexer - NR33 - Wer die Götter erzürnt

Titel: Der Hexer - NR33 - Wer die Götter erzürnt
Autoren: Verschiedene
Vom Netzwerk:
Qual.
    Und schließlich... Gefühl. Das Empfinden, einen Körper zu besitzen und einige Teile davon bewegen zu können. Doch war es nur ein Gefühl, das jeder Amöbe, diesen primitivsten unter allen Lebensformen, zueigen ist. Denn das Wichtigste fehlte ihm: die Intelligenz.
    Noch war er nicht vollends erwacht, aber sein zerfressenes, totes Gehirn schickte bereits schwache Impulse aus, von einem Instinkt geleitet, der jeder Kreatur innewohnt. Seine Muskeln, oftmals nur mit geschickten Nadelstichen verbunden, spannten sich wie in einem Krampf, aber die Bewegungen waren ungelenk und fahrig. Der Wille, der sie leiten sollte, war noch nicht aufgestiegen aus dem Reich ewiger Finsternis, dem Leib und Geist bereits entrissen waren.
    Ein schmerzhafter Schlag ging durch seinen massigen Körper, als die Blitze um ihn herum plötzlich an Intensität gewannen, als seine Muskeln sich wie in einem Schlage spannten und zu reißen drohten.
    Und dann – ein Herzschlag. Zaghaft nur und von einer kaum enden wollenden Pause gefolgt. Dann ein zweiter... ein dritter...
    Seine Lunge, brüchig vom Alkohol, in dem sie tagelang geruht hatte, blähte sich in einem ersten, schmerzhaften Atemzug. Und langsam begann das Gemisch aus Blut und verbotenen Essenzen in seinen Adern zu pulsieren, rann wie glühende Lava durch seinen Leib, erfüllte die toten Organe mit neuem, furchtbarem Leben.
    Endlose Minuten sammelte das erweckte Hirn neue Kraft. Dann schickte es einen neuen, mühsamen Befehl aus.
    Und endlich – öffneten sich seine Augenlider!

    * * *

    »Er lebt!« Der Schrei übertönte das Lärmen der Transformatoren und hallte verzerrt von den Wänden des Kellers wider. Frau Professor Sibelius starrte aus glühenden Augen ins Innere des Stahlzylinders, während ihre dürren Finger voller Hast an den rostigen Verschlüssen rund um das Sichtfenster zerrten. »Er lebt, Maximilian! Ich habe es bewiesen! Tote Materie ist erwacht!« Sie rang keuchend nach Luft. »Ich hatte recht! Er lebt!«
    Das zolldicke Glas des Fensters beschlug; Glyzerin stieg in dichten Dampfwolken hoch und bildete kleine glitzernde Tropfen an seiner Innenseite. Anna Sibelius öffnete mit bebenden Händen den letzten Verschluß und klappte das Glas nach oben. Zischend entwich die brühendheiße Luft aus dem Kessel und raubte ihr für Sekunden den Atem. Gleichzeitig durchzog ein beißender Gestank nach Salpeter und verbranntem Schwefel den kleinen Raum. Hustend und würgend wandte Anna Sibelius sich ab und fächerte mit der Rechten die dicken Schwaden auseinander. Sie wartete nicht ab, bis sich die Wolke vollends verzogen hatte, sondern hielt den Atem an und beugte sich ungeduldig wieder vor.
    Da stand er.
    Muskulös, von edler, fast schöner Gestalt, beinahe zweieinhalb Meter groß und mit bleicher, feuchtglänzender Haut, die an zahlreichen Stellen nur durch kunstvoll ausgeführte Nadelstiche zusammengehalten wurde.
    Ihr Lebenswerk. Der Golem.
    Zaghaft noch, aber regelmäßig, hob und senkte sich seine breite, dicht behaarte Brust. Unter der Haut gewahrte Frau Professor Sibelius das kraftvolle Spiel der Muskeln, konnte beobachten, wie sich seine großen Hände langsam öffneten und wieder schlossen.
    Und sein Blick war klar. Die stahlblauen Augen in dem scharfgeschnittenen Gesicht waren weit geöffnet, die Augäpfel zuckten unruhig hin und her.
    Er lebte! Er lebte!
    Nur mühsam konnte Anna Sibelius den Blick von ihm wenden. Mit glänzenden Augen blinzelte sie durch das Glas der beschlagenen Hornbrille zu ihrem Assistenten hinunter, der die Stromzufuhr des Transformators herabgeregelt hatte und wieder am Fuße der Leiter stand. »Er atmet, Maximilian«, flüsterte sie ergriffen. »Ich habe es vollbracht!«
    »Ich habe es vollbracht, Frau Professor«, stellte Maximilian richtig. »Sie werden wohl kaum noch Ihre Freude an ihm haben.«
    Seine Stimme klang jetzt kalt wie klirrender Frost. Langsam näherte sich seine linke Hand der Tasche seines Kittels.
    »Was... was willst du damit sagen?« Anna Sibelius erwachte wie aus einem Rausch. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie die Ungeheuerlichkeit dieser Antwort verdaut hatte. Was war nur in Maximilian gefahren? »Wenn du hirnloser Idiot glaubst, den Ruhm –
    »Halt das Maul, altes Gespenst!« fuhr Maximilian sie an. »Wenn du verkalkte Matrone es immer noch nicht begriffen haben solltest« – seine Hand verschwand in der Tasche – »ich habe gar nicht die Absicht, den Ruhm mit dir zu teilen.«
    Mit diesen Worten zog er die Hand
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher