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Der Hexer - NR33 - Wer die Götter erzürnt

Der Hexer - NR33 - Wer die Götter erzürnt

Titel: Der Hexer - NR33 - Wer die Götter erzürnt
Autoren: Verschiedene
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das...«, flüsterte sie mit bebender Stimme, während sie ungeschickt und viel zu hastig versuchte, das Schwungrad zu drehen und den Behälter zu öffnen. Sie bemerkte nicht einmal, wie ihre Fingernägel abbrachen, wie ihre Haut aufriß und Blut das Metall schlüpfrig machte.
    Der Rost knirschte. Fast schien es, als weigere sich der Gigant, seine Beute freizugeben; wie eine gewaltige Bärenfalle, die einmal zugeschnappt war. Dann endlich, nach Ewigkeiten, wie es Anna Sibelius schien, bewegte sich das Rad und drehte sich mit schrillem Quietschen in seinem Lager.
    Tränen rannen Anna Sibelius über die hohlen Wangen. In ihrem Blick stand ein unstetes Flackern. Nach all den Jahren der Forschung, nach diesem Erfolg – alles vergebens?
    Endlich schlug das Rad an. In fliegender Hast zerrte Frau Professor Sibelius den schweren, Riegel zur Seite – die Tür schwang auf. Ätzender Dampf schlug ihr entgegen und raubte ihr die Sicht. Mit einer unwilligen Bewegung fegte sie die beschlagene Brille zu Boden und blinzelte in die Schwaden.
    Der Golem – lebte er noch?
    Das war ihr letzter Gedanke.
    Sie sah nicht einmal mehr die schwammige Hand, die ihren Kopf traf und sie zur Seite schleuderte. Sie war tot, noch bevor sie auf den staubigen Fliesen aufschlug.

    * * *

    Das gurgelnde Keuchen, das aus dem Zylinder drang und unheimlich von den Wänden des Kellerlochs widerhallte, hatte nichts Menschliches.
    Durch die grauen Schwaden tastete die verunstaltete Pranke nach der Stahlwandung. Als sie sich um das Metall schloß, klang ein scharfes Zischen auf. Der Stahl warf Blasen, verbog sich wie roher Kautschuk. Schwere, metallene Tropfen fielen zu Boden, wie Tränen aus Quecksilber.
    Eine zweite Hand drang durch den Nebel, fand mit unsicheren Bewegungen Halt und klammerte sich fest. Gemeinsam zogen sie den Körper des Golems aus dem Zylinder.
    Doch wie hatte er sich verändert!
    Nichts war geblieben von der schönen, muskulösen Gestalt. Wo bleiche Haut das tote Fleisch umspannt hatte, klebte nun pockiges, zerfressenes Gewebe auf blanken Knochen, warf noch immer Blasen und setzte stechende Dämpfe frei.
    Die linke Seite des Kopfes war verschwunden, hatte sich aufgelöst und war an der Schulter herabgeflossen. Auf dem halb zerstörten Mund stand ein dümmliches Grinsen.
    Mit unkontrollierten Bewegungen schleppte sich der Golem in den Raum. Seine Füße – das, was einmal seine Füße gewesen waren – hinterließen schleimig glänzende Spuren auf dem Stein. Minutenlang blieb er stehen, schwankend wie ein Blatt im Wind und mit hilflos herabhängenden Armen. Dann ließ er sich einfach rücklings zu Boden fallen.
    Er versuchte, sein rechtes Auge zu öffnen, doch es hatten sich schwammige Hautschichten darüber gelegt. Er hob die Hand und wischte sie beiseite. Sein Auge war noch immer blau, doch die Iris war zu einem bizarren, zerfaserten Fleck zerlaufen. Trotzdem schien er seine Umgebung wahrzunehmen, denn jetzt wandte er langsam den Kopf und starrte auf den reglosen Körper nieder, der neben ihm lag.
    Maximilian.
    Beim Anblick des Leichnams, dieses glatten, unversehrten Körpers, stieg blinde Wut in der Kreatur auf. Mit einem dumpfen Grollen wälzte sie sich auf den Toten zu und fegte ihn mit einem einzigen, unglaublich kräftigen Schlag zur Seite. Die brodelnde Masse, die den unförmigen Körper bedeckte, schien stärker zu kochen.
    Mühsam erhob sich der Golem auf die Beine. Sekundenlang kämpfte er um sein Gleichgewicht, dann taumelte er vorwärts.
    Ein Lufthauch führte ihn auf das Kellerfenster zu, das einen Spalt offenstand. Dort, hinter den blinden Scheiben, waren Dunkelheit und Kühle. Dort würden die quälenden Schmerzen nachlassen, dort würde er nicht mehr diese ekelhaften, glatten Körper sehen müssen.
    Und wenn es dort draußen vielleicht noch andere von ihnen gab, so würde er dafür sorgen, daß sie verschwanden.
    Für immer!

    * * *

    Kein Zweifel – sie hatte sich verlaufen. Seit einer knappen halben Stunde schon irrte Veronique Rochelle durch die dunklen, nur hier und da vom schwachen Licht einer Gaslaterne erleuchteten Straßen dieses Londoner Vorortes.
    Vorgestern erst war sie als Aushilfe bei einer vornehmen Familie in Paddington untergekommen. Es war reines Glück gewesen; sie war ohne größere Vorbereitungen losgefahren und hatte Paris nur mit einem schweren Koffer und zwei Hutschachteln bepackt verlassen, war mit der Eisenbahn bis Calais und von dort mit der regelmäßig verkehrenden Fähre nach Dover
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