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Der Hexer - NR22 - Die Hand des Dämons

Der Hexer - NR22 - Die Hand des Dämons

Titel: Der Hexer - NR22 - Die Hand des Dämons
Autoren: Verschiedene
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im Zug gut gepolstert. Carringham nahm mir gegenüber Platz. Auf sein Zeichen hin ließ der Kutscher die Pferde antraben. Die Bahnstation versank hinter uns im Regen und grauer Nässe.
    »Hatten Sie eine angenehme Reise?« erkundigte sich Carringham. Es war nicht mehr als eine Floskel, leere Konversation, wie sie mir schon immer zuwider gewesen ist. Ich nickte schweigend und starrte demonstrativ aus dem Fenster. Erst jetzt spürte ich wirklich, wie müde ich war. Gerne hätte ich die Augen geschlossen, mich zurückgelehnt und die Beine ausgestreckt, aber diese Blöße wollte ich mir vor Carringham nicht geben. Ich kannte Typen wie ihn zur Genüge. Carringham gehörte zu jenem Menschenschlag, den ich mit Abstand am wenigsten ausstehen konnte: ein unterwürfiger kleiner Kriecher, der nach oben buckelte und nach unten dafür um so heftiger trat. Jemand, der aus jedem noch so kleinen Anzeichen von Schwäche irgendwie einen Vorteil für sich herauszuholen verstand. Die Verhandlungen mit der Gesellschaft würden hart werden, und so unscheinbar und harmlos er auch wirkte, ahnte ich doch, daß alle wichtigen Fäden bei ihm zusammenliefen.
    Ich hatte die Aktien an der Arcenborough-Textile-Corporation, die zu dem Vermögen meines Vaters gehörte, geerbt. Roderick Andaras beträchtliche finanzielle Hinterlassenschaften waren noch der angenehmste Teil des Erbes, das ich angetreten hatte, auch wenn einige Verpflichtungen damit verbunden waren.
    Aber sie waren eben nur ein beinahe nebensächlicher Teil seines Vermächtnisses. Viel bedeutender waren seine geistige Macht, die auch in mir schlummerte, und der Fluch, der auf ihm und mir lastete. Denn dadurch war ich zum Hexer geworden.

    * * *

    Er wußte nicht, wie lange er dastand und die Erscheinung anstarrte. Es muß sich um einen Nachkommen des Grauen Bredshaw handeln, dachte Vernon, fast verzweifelt darum bemüht, eine logische Erklärung für das Unmögliche zu finden. Aber er war nicht verheiratet gewesen, geschweige denn, daß er Kinder gehabt hätte...
    Trotzdem war ihm die Gestalt wie aus dem Gesicht geschnitten. Die Ähnlichkeit war für eine höchstens flüchtige Verwandtschaft zu frappierend. Aber es war die einzige mögliche Erklärung.
    Der Mann trug das graue Haar straff zurückgekämmt. Gekleidet war er in einen ebenfalls grauen Anzug von altmodischem Schnitt. Niemand hatte den Grauen Bredshaw jemals anders gekleidet gesehen, und genau so war er zu seinem Beinamen gekommen.
    Aber jetzt, als Brewster den Grauen Bredshaw sah, spürte er, daß dies nicht der alleinige Grund war: Eine schwer erklärbare Aura aus Düsternis umgab ihn, und mit einem Mal wußte Vernon Brewster sicher, daß er wirklich den Totgeglaubten sah, ohne daß er die Herkunft dieses Wissens auch nur erahnte – und obwohl es allen Naturgesetzen Hohn sprach. Die Wirklichkeit hatte sich verändert, eine neue Dimension angenommen, die von Schrecken erfüllt und in der er hilflos gefangen war, den Blick wie eine von der Schlange hypnotisierte Maus auf das Unmögliche gerichtet.
    Der Graue Bredshaw schloß das Portal hinter sich und stieg die wenigen Stufen zum Hof hinab. Dort blieb er stehen, verharrte einige Sekunden und hob dann die Arme. Beinahe beschwörend streckte er sie dem wolkenverhangenen Himmel entgegen, ohne sich um den noch immer niederprasselnden Regen zu kümmern. Vernon Brewster erkannte die angespannte Konzentration auf dem Gesicht des Mannes, den Ausdruck beschwörender Eindringlichkeit, den seine Augen zeigten.
    Mehr als zwei Minuten blieb er so stehen, reglos, ohne auch nur mit den Wimpern zu zucken. Wie eine Statue, dachte Brewster schaudernd. Oder ein Toter…
    Brewster wagte kaum zu atmen, aus Furcht, der Unheimliche könnte ihn entdecken; was nicht einmal abwegig schien, denn etwas hatte sich in der Entfernung verändert. Das Anwesen schien deutlich näher an den Turm herangerückt zu sein. Eine unheimliche, elektrisch knisternde Spannung hatte sich des ganzen Landstriches bemächtigt, wie eine klamme Vorahnung der bevorstehenden Ereignisse, über die Brewsters Gedanken ohne sein Zutun bereits die wildesten Vermutungen anstellten.
    Noch immer war er unfähig, den Blick von dem gleichermaßen erschreckenden wie faszinierenden Geschehen abzuwenden, geschweige denn zu fliehen, obwohl er wußte, daß seine alleinige Anwesenheit eine Blasphemie darstellte, die nicht ungesühnt bleiben würde. Er war verloren, hineingesogen in ein unheilvolles Labyrinth aus Verderbnis und
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