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Der Hexer - NR18 - Wer den Tod ruft

Der Hexer - NR18 - Wer den Tod ruft

Titel: Der Hexer - NR18 - Wer den Tod ruft
Autoren: Verschiedene
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verstehen«, sagte er. »Mir geht es ähnlich. Bei Gewehren.«
    »Sie haben schlechte Erfahrungen mit Weißen gemacht«, vermutete ich.
    Yo Mai schnaubte. »Schlechte Erfahrungen? Ich habe fünf Jahre unter Ihresgleichen gelebt, Mister Craven. Ich brauche keine Erfahrungen mehr zu machen.«
    So, wie er das Wort Erfahrungen aussprach, klang es nach einer Obszönität, aber wir hatten mittlerweile das Zentrum des Platzes und das flackernde Lagerfeuer erreicht, so daß ich der unangenehmen Pflicht enthoben war, ihn zu fragen, wie er seine Worte gemeint hatte. Yo Mai hob die Hand, um uns zu bedeuten, daß wir stehenzubleiben hatten, umrundete das Feuer und verschwand in einer Hütte. Wenige Augenblicke später kam er zurück, begleitet von dem mit Abstand ältesten Menschen, dem ich jemals begegnet war.
    Der Majunde mußte weit über hundert Jahre alt sein. Seine Schultern waren gebeugt, als schleppe er eine unsichtbare Zentnerlast mit sich, und sein Gesicht glich einer verwirrenden Landschaft aus Falten und Runzeln, in die ein Paar kleiner, vom Alter trübe gewordener Augen eingebettet waren. Er hatte nicht mehr die Kraft, allein zu gehen; ein Mann, der ihn begleitete, mußte ihn stützen. Plötzlich begriff ich, warum Yo Mai uns befohlen hatte, diesen Alten respektvoll zu behandeln.
    Mühsam umrundete er das Feuer, blieb auf Armeslänge vor Shannon und mir stehen und sah uns beide nacheinander und sehr ausgiebig an. Es war schwer, auf seinem faltenzerfurchten Gesicht irgendeine Regung abzulesen, aber als ich ihn von nahem sah, korrigierte ich meine Schätzung sein Alter betreffend noch einmal um einige Jahre. Nach oben. Schließlich begann er zu sprechen. Seine Stimme war so dünn, daß sie fast im Prasseln des Feuers unterging, und ich sah an der Reaktion auf Shannons Gesicht, daß er einen Dialekt sprach, von dem er keinen Ton verstand. Gottlob war Yo Mai da, der seine Worte übersetzte, kaum daß er geendet hatte.
    »Ihr seid die Weißen Teufel, die uns um Hilfe bitten«, sagte der junge Majunde. »Ich biete Euch Gastfreundschaft für die Dauer dieses Gespräches, und meinen Schutz. Sprecht, und sprecht schnell, denn unsere Geduld ist fast so kurz wie die eure.«
    Die Formulierung gefiel mir nicht besonders, aber ich war klug genug, den Mund zu halten und Shannon reden zu lassen.
    »Sage deinem Ältesten«, wandte er sich an Yo Mai, »daß wir ihm für seinen Schutz und seine Gastfreundschaft danken. Und daß wir nicht hier sind, um eure Hilfe zu erbitten, sondern um euch vor einer großen Gefahr zu warnen, die uns allen droht, gleich ob weißen Männern oder dem tapferen Volk der Majunde.«
    Yo Mai stutzte, übersetzte aber gehorsam Shannons Worte. Der Alte hörte mit unbewegtem Gesicht zu und schwieg länger als fünf Minuten, ehe er antwortete.
    Yo Mai übersetzte: »Wir fürchten keine Gefahr, weißer Mann, denn unsere Götter schützen uns.«
    Der Alte hob den Arm und deutete mit einer von der Gicht verkrümmten Hand zum Krater des Krakatau hinauf, der anderthalb Meilen über dem Eingeborenendorf Flammen gegen den Himmel spie. »Der große Gott Krakatau hält seine Hand über seine Kinder, wie er es seit Anbeginn der Welt getan hat. Wir vertrauen auf ihn. Die Gefahr mag die Weißen Teufel vernichten, doch wir wissen, daß Krakatau uns schützen wird.«
    »Gegen die ostindische Gesellschaft hat er euch wenig genutzt«, knurrte ich. Shannon warf mir einen raschen, fast erschrockenen Blick zu, aber Yo Mai hatte meine Worte verstanden und übersetzte sie.
    Seltsamerweise reagierte der Alte ganz anders, als ich erwartet hatte. Einen Moment lang starrte er mich an, dann lachte er, leise und auf eine Art, die mich an das Meckern einer Ziege erinnerte, und Yo Mai übersetzte: »Du hast recht, Weißer Teufel. Doch der weiße Mann ist gekommen und wieder gegangen, und die Majunde und Krakatau sind geblieben.«
    »Tergard und seine Bande sind noch da«, erinnerte ich, Shannons verzweifeltes Grimassenschneiden ignorierend.
    »Du hast recht, weißer Mann«, antwortete der Alte. »Die weißen Hunde, die im Zeichen des Kreuzes töten, sind noch da. Doch wir fürchten sie nicht. Der Wald schützt uns, und unser Gott wird sie vernichten. Wir spüren sein Zürnen schon seit langer Zeit. Seine Geduld ist groß, doch bald wird die Zeit der weißen Mörder abgelaufen sein.«
    »Es geht nicht nur um sie«, sagte Shannon. Er hob die Hände und machte eine fast verzweifelte Geste. »Yo Mai, erkläre ihm, daß wir nicht wegen dieser
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