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Der Hexer - NR10 - Wenn der Stahlwolf erwacht

Der Hexer - NR10 - Wenn der Stahlwolf erwacht

Titel: Der Hexer - NR10 - Wenn der Stahlwolf erwacht
Autoren: Verschiedene
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Leuten wie Cohen auf die Finger klopfen, wenn man nicht Gefahr laufen wollte, daß sie anfingen, Katz und Maus zu spielen und einem dabei die Rolle der Maus zudachten. Aber meine Fähigkeit, Konflikte auszutragen, war einfach erschöpft. Ich war müde, fühlte mich schwach, hatte Hunger und Durst, und in meinem Kopf drehte sich alles. Im Grunde wollte ich nur noch nach Hause.
    Ich ging die Treppe hinunter und trat in die hohe, nach vorne offene Säulenhalle hinaus. Obwohl es für diese Jahreszeit kalt war, fühlte ich mich im Freien einfach wohler. Es war absurd – die Beamten von Scotland Yard und ich waren im Grunde Verbündete, die zusammenhalten sollten. Aber im Augenblick waren sie meine Feinde.
    Fröstelnd zog ich den Mantel enger um die Schultern zusammen, trat an den Straßenrand und winkte einer Mietdroschke. Die ersten beiden Fuhrwerke rollten einfach vorbei, obgleich ich deutlich erkennen konnte, daß sie nicht besetzt waren. Aber die Kutscher hatten wohl meinen zerfetzten Mantel und den blutigen Anzug darunter gesehen und angesichts des Hauses, vor dem ich stand, einen zwar verständlichen, aber falschen Schluß daraus gezogen.
    Erst der dritte Kutscher hielt an und fragte brummig nach der Adresse, zu der er mich fahren sollte. Als ich sie ihm nannte, erbleichte der Mann, denn Ashton Place gehörte zu den Orten, mit denen man Dinge wie goldene Toilettenschüsseln und diamantbesetzte Türknöpfe in Verbindung bringt. Aber an diesem Tag vermochte ich mich nicht recht über seine Verblüffung zu amüsieren.
    Als sich der Wagen in Bewegung setzte, blickte ich eher zufällig aus dem Fenster und zum Gebäude von Scotland Yard zurück.
    Auf der breiten Freitreppe saß eine Ratte und starrte mir nach.

    * * *

    Mit dem Licht des neuen Tages war das grüne Wabern und Wogen blasser geworden. Aus der gleißenden Kuppel war ein blasser Schein geworden, nicht mehr als ein sanfter, kaum noch wahrnehmbarer Hauch im hellen Glanz der Sonne. Dafür hatte das Pulsieren am Grunde des Grabes zugenommen. Aus den finsteren Schatten waren Arme geworden, ein zuckender, auf schwer zu beschreibende Weise fließender Körper mit lichtlosen Augen aus Flecken treibender Schwärze, deren Blick älter als die Welt war, die sie sahen.
    Die Fremde hatte wieder am Kopfende des Grabes Aufstellung genommen, und wie während der Nacht waren Penwick und Rowland an den beiden Längsseiten der rechteckigen Grube aufmarschiert und zur Reglosigkeit erstarrt. Bizarre menschliche Statuen mit übergroßen Rattenköpfen, deren schwarze Augen das Licht der Sonne wie polierte Knöpfe widerspiegelten...
    Auch die Ratten waren wieder da, eine wirbelnde, amorphe Masse graubraun-schwarzer Körper, die die drei Gestalten und das offene Grab in respektvollem Abstand umgaben.
    Der Friedhof selbst war kaum wiederzuerkennen. Die meisten Grabsteine und -platten waren umgeworfen oder zerschlagen, zahllose Gräber geöffnet, die Särge darin zerborsten und mit brutaler Kraft aufgebrochen, sofern sie nicht schon von selbst verfault und bei der ersten Berührung zerfallen waren. Nur wenige Gräber waren noch unversehrt.
    Lange Zeit stand die Fremde mit dem knöchernen Rattenschädel still da, dann, wie auf ein geheimes Zeichen hin, erwachte sie aus ihrer Starre, hob den Arm und stieß einen absurd klingenden Laut aus, wie ihn eine menschliche Kehle niemals zustande gebracht hätte. Am anderen Ende des Friedhofes entstand Bewegung, und zwei der Gestalten, die bisher reglos zwischen den verwüsteten Gräberreihen gestanden und zu der Fremden und ihren beiden unheimlichen Begleitern hinübergeblickt hatten, stiegen in ein aufgebrochenes Grab hinab. Ein Kratzen und Scharren wurde laut, dann das Splittern von Holz.
    Die Frau in der grünen Toga hob langsam die Arme, ergriff den knöchernen Rattenschädel, den sie wie einen bizarren Helm auf dem Kopf trug, und nahm ihn ab; langsam und in einer beinahe zeremoniell anmutenden Geste. Eine vage, unruhige Bewegung ging durch die Masse der Ratten, als darunter das Gesicht einer dunkelhaarigen, jungen Frau zum Vorschein kam.
    Langsam näherten sich zwei Männer dem Grab, den schlaffen, in halbvermoderte weiße Tücher eingeschlagenen Körper zwischen sich tragend, den sie aus dem erbrochenen Sarg genommen hatten. Die Ratten wichen lautlos zur Seite und bildeten eine Gasse für die beiden Männer und ihre schreckliche Last.
    Sie erreichten das Grab, blieben stehen und blickten abwartend zu der Fremden hinüber. Die Frau starrte
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