Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hexer - NR10 - Wenn der Stahlwolf erwacht

Der Hexer - NR10 - Wenn der Stahlwolf erwacht

Titel: Der Hexer - NR10 - Wenn der Stahlwolf erwacht
Autoren: Verschiedene
Vom Netzwerk:
heranstürmten und Craven und Mister Phillips und ihren armen Leibdiener verschlangen, die durchgehenden Pferde, die sich aufgebäumt und die Kutsche umgeworfen hatten, die zahllosen Ratten, die durch die Tür und Spalten in den zerborstenen Wänden hereingequollen waren, das ekelhafte Gefühl ihrer Berührung, und dann der schreckliche Mann mit dem Rattenkopf – dies alles war wirklich geschehen!
    Lady Audley McPhaerson fuhr mit einem gellenden Schrei in die Höhe, bemerkte zu spät, daß ihre Hände zusammengebunden und mit einem kurzen Strick am Bettgestell festgeknüpft waren, und sank mit einem schmerzhaften Keuchen wieder zurück.
    Der Schrei weckte den Mann neben ihr aus seiner Erstarrung. Mit einem Ruck hob er den Kopf, drehte sich im Stuhl herum und stand dann ganz auf.
    Lady Audley schrie erneut, als sie sein Gesicht sah.
    Es war das Gesicht einer Ratte! Der Mann war der Unheimliche aus ihrem Traum, das Ungeheuer, das plötzlich neben der Kutsche aufgetaucht war und sie aus dem zerborstenen Wagen gezerrt hatte, während die Ratten über ihren Körper krochen, sie mit ihren widerlichen Schnauzen beschnüffelten und betasteten, an ihren Kleidern und Haaren zerrten...
    Lady McPhaerson hörte erst wieder auf zu schreien, als der Rattenmann sie in die Höhe riß und ihr eine schallende Ohrfeige versetzte. Die Hysterie ging so schnell, wie sie gekommen war, aber zurück blieb ein Entsetzen, das alles übertraf, was sie in ihrem langen Leben auch nur geahnt hatte. Ihre Augen schienen vor Grauen schier aus den Höhlen zu quellen, während sie das struppige Rattengesicht des Unheimlichen betrachtete.
    Und dann begann das Wesen zu sprechen; mit seltsam hoher, quietschender Stimme, die Worte von einem fürchterlichen Rasseln und Hecheln begleitet, aber trotzdem verständliche Worte – und das war fast noch ein größerer Schock für Lady Audley als der pure Anblick des Scheusals.
    »Es hat keinen Zweck, wenn Sie sich wehren«, krächzte es. »Sie fügen sich nur Schmerzen zu. Niemand wird Ihnen etwas zuleide tun, solange sie keine Dummheiten machen, Mylady.«
    Mylady! dachte Lady Audley entsetzt. Das Ungeheuer nannte sie Mylady! Bitterer Speichel sammelte sich unter ihrer Zunge. Sie schluckte ein paarmal, um den Brechreiz niederzukämpfen, biß sich selbst auf die Zunge und wartete, bis der brennende Schmerz das Entsetzen, das ihre Sinne vernebelte, vertrieben hatte. Trotzdem zitterte ihre Stimme so heftig, daß sie alle Kraft aufwenden mußte, um die wenigen Worte verständlich hervorzubringen.
    »Wer... wer sind Sie?« wimmerte sie. »Was haben Sie mit mir vor? Wo bin ich und was –«
    Der Rattenmann unterbrach sie mit einer unwilligen Geste seiner nur noch halb menschlichen Klauenhände. »Mein Name ist Penwick«, sagte er, »aber das tut nichts zur Sache. Sie werden alles erfahren, wenn die Zeit gekommen ist. Vorerst brauchen Sie keine Angst zu haben. Ich bin nur hier, um auf Sie achtzugeben – nicht, um Ihnen irgend etwas zuleide zu tun.«
    »Vorerst«, wiederholte Lady Audley leise. »Und später?«
    »Sind Sie hungrig?« fragte der Rattenmann, als hätte er ihre Frage gar nicht gehört.
    Lady Audley schluckte, schüttelte kurz und abgehackt den Kopf und versuchte sich abermals aufzurichten. Diesmal ging es, wenngleich der Strick ihre Bewegungen sehr behinderte und sie sich nur zur Hälfte erheben konnte.
    »Sagen Sie es nur, wenn Sie irgendwelche Wünsche haben«, krächzte Penwick. »Sie dürfen diesen Raum nicht verlassen, aber ansonsten stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung.«
    »Sie... Sie könnten mir diese Fesseln abnehmen«, sagte Lady Audley mit einer Kopfbewegung auf ihre zusammengebundenen Hände.
    »Das darf ich nicht.«
    Lady Audley schluckte schwer. »Seien Sie nicht albern, junger... junger Mann«, sagte sie mit allem Mut, den sie aufzubringen vermochte. »Ich bin eine alte Frau – was könnte ich schon gegen einen so starken Mann wie Sie unternehmen? Die Fesseln tun mir weh.«
    Das braune Rattengesicht starrte sie drei, vier endlose Sekunden lang an, dann nickte es, eine Geste, die den Schrecken, den sein Anblick brachte, noch vertiefte, denn sie bewies Lady Audley, daß dieses grauenerregende Wesen irgendwann einmal ein ganz normaler Mensch gewesen sein mußte.
    »Wahrscheinlich haben Sie recht, Mylady«, sagte Penwick. »Es ist wohl nicht nötig, daß Sie die Unbequemlichkeit noch länger ertragen. Die Tür ist ohnehin abgeschlossen, und den Schlüssel habe ich in der Tasche.« Er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher