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Der Hexer - GK583 - Im Schatten der Bestie

Der Hexer - GK583 - Im Schatten der Bestie

Titel: Der Hexer - GK583 - Im Schatten der Bestie
Autoren: Verschiedene
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werden wir es schaffen. Und jetzt setz dich irgendwo hin und warte einfach ab. Und bleib von den Fenstern weg.« Behutsam löste er meine Hand von seinem Arm, schob mich aus dem Weg und eilte die Treppe hinauf. Ich blieb allein in der Kabine zurück. Über mir erfüllten die Schritte Howards, Rowlfs und Mahoneys das Deck, ab und zu unterbrochen von einem dumpfen Poltern und Krachen oder einem gerufenen Wort. Ich spürte, wie das Boot stärker zu zittern begann, als sich die Haltetaue eines nach dem anderen lösten und die Wellen das Schiff stärker anheben und gegen den Kai drücken konnten, und trotzdem nahm ich von alledem kaum etwas wahr. Wie betäubt hockte ich da, starrte in die Dunkelheit und versuchte Ordnung in das Chaos zu bringen, das hinter meiner Stirn herrschte.
    Mein Vater war zurückgekehrt! Es war nicht das erste Mal seit seinem Tode, daß ich ihn sah – er war mehrmals erschienen, mal nur als Stimme, mal als Bild in einem Spiegel oder als Schemen, der verschwand, ehe man ihn richtig sehen konnte – aber jetzt war er wirklich zurückgekehrt ...
    Ich hätte mich freuen sollen. Ich hätte vor Erleichterung jubeln und an Deck laufen und ihm um den Hals fallen sollen, aber ich konnte es nicht. Vielleicht, weil ich trotz allem das Gefühl gehabt hatte, einem Toten gegenüberzustehen, als ich ihn erkannte.
    Die Planken unter meinen Füßen begannen stärker zu zittern, und plötzlich legte sich das Boot so heftig auf die Seite, daß ich hastig nach Halt greifen und mich festklammern mußte, um nicht schon wieder zu Boden zu stürzen. Der Klang der Wellen, die gegen die Bordwand stießen, änderte sich, als die Wogen es nicht mehr seitlich, sondern frontal trafen.
    Dann fuhren wir los.
    Ich weiß nicht, wie lange wir unterwegs waren – eine Stunde, vielleicht auch zwei oder drei; es war unmöglich, die Zeit zu schätzen, in dem tobenden Chaos, das das Schiff einhüllte. Das Boot hüpfte wild durch Wellentäler und über die Kämme der schaumgekrönten Wogen, und das Heulen des Sturmes war noch wütender und lauter geworden. Der schmale Rumpf erbebte ununterbrochen unter den Schlägen der Wogen, und rings um das Schiff fuhr Blitz auf Blitz auf die aufgewühlte Wasseroberfläche herab, so dicht, daß ich das helle elektrische Zischen hören konnte, mit dem sie sich entluden. Ein paarmal nahm das Toben der Elemente ab, aber nur, um gleich darauf neu und mit doppelter Wucht wieder loszubrechen.
    Schließlich, nach einer Ewigkeit, näherten wir uns wieder der Küste. Ich hörte das dumpfe Krachen, mit dem die Wogen gegen den Fuß der gewaltigen Steilküste schlugen, und das Geräusch weckte Erinnerungen in mir, Bilder, die mein Bewußtsein überfluteten, ohne daß ich mich dagegen wehren konnte: Ich sah ein Schiff, einen stolzen alten Viermaster, die Segel in Fetzen von den Rahen hängend, schon halb zerbrochen unter den Hieben des Windes, der schnell wie ein Pfeil durch die aufgepeitschte See auf die Küste und die vorgelagerte Barriere aus Riffen zuschoß, und wie damals glaubte ich noch einmal die entsetzten Schrei der Mannschaft zu hören, als sie begriffen, daß ihre Fahrt zu schnell war und sie entweder an den Riffen oder der Felswand dahinter zerbersten würden. Ich versuchte, die Bilder abzuschütteln, aber es ging nicht; im Gegenteil. Die Vision wurde immer bedrückender und realer, und –
    Eine Hand berührte mich an der Schulter, und als ich aufsah, blickte ich in Howards Gesicht. »Alles in Ordnung?« fragte er leise.
    Ich nickte. »Es ... geht wieder.«
    »Wieder diese Visionen?« fragte er.
    Einen Moment lang überlegte ich, ob ich ihm die Wahrheit sagen sollte, aber dann nickte ich nur. Es spielte keine Rolle, welcher Art die Bilder waren, die mich quälten, und wir hatten keine Zeit für lange Gespräche.
    »Wir sind fast da«, sagte er. »Maho... dein Vater möchte, daß du an Deck kommst.«
    Irgend etwas am Klang seiner Stimme ließ mich aufhorchen. »Du traust ihm nicht«, behauptete ich.
    Howard seufzte. »Doch«, antwortete er. »Ich weiß, daß er es ist, Robert. Ich weiß es so sicher, wie du es weißt. Aber ...«
    Er sprach nicht weiter, aber das war auch nicht nötig. Er spürte das gleiche wie ich. Dieser Mann war mein Vater, und doch war er anders, als wir beide ihn gekannt hatten. Vielleicht war es die Welt, in der er jetzt existierte, die ihn verändert hatte.
    Ich verscheuchte den Gedanken, stand auf und wollte zur Treppe gehen, aber Howard hielt mich noch einmal zurück.
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