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Der Hexer - GK567 - Als der Meister starb

Der Hexer - GK567 - Als der Meister starb

Titel: Der Hexer - GK567 - Als der Meister starb
Autoren: Verschiedene
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boshaftes Hohngelächter.
    »Wahnsinn«, murmelte Bannermann neben mir. Seine Stimme war fast unnatürlich gefaßt, aber sein Gesicht hatte jede Farbe verloren. »Das ist Wahnsinn«, murmelte er erneut, als ich nicht reagierte. »Wenn mir vor zwei Stunden jemand erzählt hätte, daß ich mein Schiff freiwillig auf die Riffe steuern würde, hätte ich ihn für verrückt erklärt.« Er starrte mich an, und ich spürte, daß er auf eine Antwort wartete.
    Aber ich schwieg. Meine Gedanken weigerten sich noch immer, sich in geordneten Bahnen zu bewegen. Hinter meiner Stirn tobte ein Orkan einander widerstrebender Empfindungen und Gefühle. Ich wußte im Grunde genau, daß Andara recht hatte, mit jedem Wort. Jetzt, als ich die Wahrheit erfahren hatte, fielen mir all die tausend Kleinigkeiten ein, die ich erlebt hatte; Dinge, die jetzt, mit meinem neu erworbenen Wissen, ein völlig anderes Gewicht bekommen hatten. Ich hatte das Talent, von dem Andara gesprochen hatte. Und irgendwie – ohne mir selbst darüber im klaren gewesen zu sein – hatte ich es die ganze Zeit über gewußt, schon lange, bevor ich Andara kennengelernt hatte.
    Aber ich wollte es nicht wissen. Ich wollte nichts mit all diesen Dingen zu tun haben, mit Hexern, Dämonen und Zauberern, Magie und Ungeheuern aus einer anderen Zeit. Ich schloß die Augen, ballte in einer Geste hilflosen Zornes die Fäuste und preßte die Stirn gegen das feuchte Holz des Mastes.
    Bannermann schien meine Reaktion falsch zu deuten. »Die Küste ist ungefährlicher, als es scheint«, sagte er in einem schwachen Versuch, mich zu beruhigen. »Die Riffe liegen tief genug unter der Wasseroberfläche, und es ist Flut. Wenn wir Glück haben, hebt uns eine Welle darüber hinweg. Und wenn nicht«, fügte er hinzu, »schwimmen wir eben. Sie können doch schwimmen?«
    »Das ist es nicht«, murmelte ich. Bannermann runzelte die Stirn und sah mich fragend an, und für einen Moment war ich ernsthaft versucht, ihm alles zu erzählen.
    Aber natürlich tat ich es nicht, und nach einer Weile begriff Bannermann, daß ich nicht weiterreden würde, und wandte sich mit einem lautlosen Achselzucken um.
    Ich sah ihm nach, hob den Blick und suchte Andara. Er stand noch immer dort, wo ich ihn zurückgelassen hatte, wandte mir aber den Rücken zu und starrte auf das Meer hinaus. Ich versuchte, mir den lautlosen Kampf vorzustellen, der in seinem Inneren toben mußte, aber ich konnte es nicht. Er hatte gesagt, daß er Yog-Shoggot zurückhalten würde, bis das Schiff und seine Besatzung in Sicherheit waren, und ich wußte, daß er es konnte. Aber ich wollte gar nicht wissen, wie er es tat.
    Das Schiff hob sich in einer schwerfälligen Bewegung auf den Rücken einer Woge, zitterte einen zeitlosen Moment reglos auf ihrem Kamm und stürzte zehn, zwanzig Fuß tief in das Wellental hinab. Die Erschütterung ließ mich gegen den Mast taumeln. Ich klammerte mich fest, wartete, bis der Boden unter meinen Füßen zu bocken aufgehört hatte und wandte mich wieder zum Bug um.
    Die Küste war näher gekommen. Das Schiff schoß mit phantastischer Geschwindigkeit auf die Flutlinie und die vorgelagerte Riffbarriere zu, und es konnte nur noch Minuten dauern, ehe es sie erreicht hatte. Ich schickte ein lautloses Stoßgebet zum Himmel, daß Bannermann recht hatte und seine Worte nicht nur eine fromme Lüge gewesen waren, mit der er mich beruhigen wollte. Ich verstand nichts von der Seefahrt, aber seine Erklärung erschien mir einleuchtend: Das Meer war unruhig, und der Wind, der im Laufe der letzten halben Stunde immer heftiger geworden war, peitschte das Wasser zu zwanzig Fuß hohen Wogen. Wenn die LADY OF THE MIST die unterseeische Rifflinie im richtigen Moment erreichte, und wenn sich eine der gewaltigen schaumigen Wellen unter ihren Rumpf schob und sie anhob ...
    Wenn, wenn, wenn ... Es waren ein paar »wenns« zu viel. Wahrscheinlich würde das Schiff wie eine Nußschale zerbrechen, wenn es die Flut gegen die gezackte Mauer schmetterte, die eine Handbreit unter der Wasseroberfläche lauerte.
    Ein plötzliches, intensives Gefühl von Gefahr schreckte mich aus meinen Gedanken. Ich sah auf, fuhr mir verwirrt über die Augen und blickte alarmiert über das Schiff. Der Wind ließ die Segel knattern, und der Schiffsrumpf ächzte und stöhnte unter der Belastung wie ein lebendes Wesen.
    Die Takelage war leer; die Besatzung hatte sich auf dem Deck der LADY OF THE MIST verteilt, um sich auf ein eventuelles Auflaufen vorzubereiten.
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