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Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Titel: Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet
Autoren: Christopher Hitchens
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bestraft, endgültig entschied. Kein Kirchturm und kein Minarett ist heute ohne Blitzableiter. Franklin stellte der Öffentlichkeit seine Erfindung folgendermaßen vor:
    In seiner Güte gegenüber der Menschheit hat es Gott gefallen, ihr endlich eine Möglichkeit aufzuzeigen, wie sie ihre Behausungen und ihre anderen Gebäude vor Schäden durch Donner und Blitz schützen kann. [FUSSNOTE77]

    Sodann erklärt er, wie dieses Wunder mit gewöhnlichen Materialien aus dem Haushalt hergestellt werden kann – Messingdraht, einer Stricknadel und ein paar Klammern.
    Auf den ersten Blick entsprechen Franklins Worte absolut der landläufigen Haltung, wäre da nicht das kleine, aber auffallende Wörtchen »endlich«. Natürlich steht es uns frei zu glauben, dass Franklin jedes Wort ernst meinte und den Leuten klarmachen wollte, dass der Allmächtige Mitleid hatte und den Menschen nach so langer Zeit doch noch das Geheimnis offenbarte. Doch unüberhörbar klingt hier auch Prometheus an, der den Göttern das Feuer stahl. Und Menschen, die Prometheus nacheiferten, mussten damals vorsichtig sein. Joseph Priestley, der als Erster das Element Sauerstoff isolierte, wurde sein Labor in Birmingham von einer Menschenmenge zerstört, die von den Torys aufgehetzt worden war und »für Kirche und König« brüllte. Der überzeugte Unitarier musste erst den Atlantik überqueren, ehe er wieder ungestört arbeiten konnte. Nichts übrigens ist vollkommen, auch diese Geschichte nicht: Franklin interessierte sich ebenso intensiv für die Freimaurerei, wie Newton Gefallen an der Alchemie gefunden hatte, und auch Priestley hatte eine Schwäche, nämlich für die Phlogistontheorie. Vergessen wir nicht, dass wir es hier mit der Kindheit unserer Spezies zu tun haben.
    Edward Gibbon, der entsetzt war von den Einsichten, die er im Zuge seiner Recherche für das umfangreiche Werk Verfall und Untergang des Römischen Reiches über das Christentum gewonnen hatte, schickte eines der ersten gedruckten Exemplare an David Hume, der ihn vor Ärger warnte, der dann auch prompt folgte. Hume erhielt in Edinburgh Besuch von Benjamin Franklin und reiste seinerseits nach Paris, um sich mit den Herausgebern der Enzyklopädie zu treffen. Die gelegentlich großspurig irreligiösen Männer dort waren zunächst enttäuscht, als ihr vorsichtiger schottischer Gast darauf hinwies, es gebe keine Atheisten und möglicherweise auch keinen Atheismus. Hume hätte ihnen wohl besser gefallen, wenn sie die ein Jahrzehnt später erschienenen Dialoge über natürliche Religion schon gekannt hätten.
    In einem ciceronischen Dialog, in dem Hume erkennbar, aber vorsichtig die Rolle des Philo übernimmt, werden in diesem Werk die traditionellen Argumente zur Existenz Gottes durch modernere Beweise und Argumentationsweisen relativiert. Möglicherweise entlehnt von Spinoza, dessen Werk noch immer zum Teil nur sekundär verfügbar war, sagte Hume, der Glaube an ein einfaches und allmächtiges höchstes Wesen sei in Wahrheit ein verstecktes Bekenntnis zum Atheismus, denn solch ein Wesen könne unmöglich Eigenschaften besitzen, die wir vernünftigerweise als Geist oder Willen bezeichnen würden. Sollte »er« doch über solche Eigenschaften verfügen, würde das Epikurs Fragen aufwerfen:
    Will er Übel verhüten und kann nicht? Dann ist er unmächtig. Kann er und will nicht? Dann ist er übelwollend. Will er und kann er? Woher dann das Übel? [FUSSNOTE78]

    Der Atheismus schnitt dieses Scheindilemma entzwei wie Ockhams Rasiermesser. Auch für einen Gläubigen ist die Vorstellung absurd, Gott sollte ihm eine Erklärung schulden. Trotzdem bürdet er sich die unlösbare Aufgabe auf, den Willen einer ihm unbekannten Person zu interpretieren, und belastet sich mit diesen im Wesentlichen absurden Fragen nur selbst. (Zu der unausweichlichen Frage »Wo kommen alle Lebewesen her?« nimmt Hume Darwin voraus, indem er sagt, dass sie sich entwickeln: Die Tauglichen überleben, und die Untauglichen sterben aus.) Zum Schluss gelangt Hume wie schon Cicero vor ihm zu einem Kompromiss zwischen dem Deisten Cleanthes und dem Skeptiker Philo. Vielleicht ging er damit, wie es seine Art war, auf Nummer sicher, vielleicht übte der Theismus im Zeitalter vor Darwin aber auch einfach noch einen gewissen Reiz aus.
    Selbst der große Thomas Paine, ein Freund Franklins und Jeffersons, wies den Atheismusvorwurf, den zu provozieren er sich nicht fürchtete, weit von sich. Ja, er entlarvte die Verbrechen und Schrecken des
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