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Der Herr der Welt

Der Herr der Welt

Titel: Der Herr der Welt
Autoren: Vampira VA
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sondern zumeist jüngere oder Zugezogene. Oft hat es sich herausgestellt, daß sie einfach fortgegangen sind. Manchmal hat man ihre Spur, wie das bei Verschwundenen üblich ist, nicht wieder entdeckt.
    Es muß nichts Mysteriöses dahinterstecken, vielmehr glaube ich, daß es sich um eine natürliche Fluktuation handelt, der aus irgendeinem Grunde das Mysteriöse anhaftet. Das hat in unserer Stadt Tradition. Es wird zur Kenntnis genommen, und wir leben mit diesem Schicksal.
    Die Zeitung unserer Stadt ist ein Spiegelbild dieser Vorliebe fürs Bizarre und Makabre. Es gibt zwei große Themen: Krankheit und Tod. Infolge der überalterten Population füllen die Todesanzeigen jeden Tag einige Seiten aus. Im Gegensatz zu anderen Zeitungen sind sie oft liebevoll aufgemacht, mit Anmerkungen und Recherchen der Redaktion versehen, und manchmal erinnern sie mit ihren Inschriften an Grabsteine auf einem Friedhof.
    Ich gebe zu, daß ich zu denen gehöre, die die Todesanzeigen stets als erstes aufschlagen und goutieren. Ja, und daher erinnere ich mich auch an den Fall Gabrini.
    Dr. Gabrini war nur Gast in unserer Stadt gewesen. Er hatte als Urlaubsvertretung eine Praxis übernehmen wollen. Leider war es dazu nie gekommen. Der junge Arzt erwies sich als verwirrte Persönlichkeit. Einige verworrene, in der hiesigen Zeitung veröffentlichte, auf einem Medikamentenblock hingeschmierte letzte Sätze zeugten von einer nicht unbeträchtlichen Eintrübung seines Verstandes.
    Dr. Gabrini war nie wieder aufgetaucht. Dafür aber offensichtlich seine hübsche Frau, die sich, auf der Suche nach ihm, hier niedergelassen hatte.
    »Ich erinnere mich«, sage ich. »Haben Sie jemals eine Spur von Ihrem Mann entdeckt?«
    »Nein, aber ich weiß, daß er sich noch in dieser Stadt aufhält. Ich spüre es.«
    Ich würde gern das Thema wechseln, aber ich hege die Vermutung, daß die Suche nach ihrem Mann mit ihrer Krankheit in Zusammenhang steht. Ich frage sie, ob meine Vermutung stimmt. Sie nickt.
    »Damals ... aber was heißt damals? Mein Gott, ich rede, als wäre das schon eine Ewigkeit her! Jedenfalls fragten sich alle, die mich kannten, meine Verwandten und die wenigen Freunde, warum ich ausgerechnet hierher gezogen bin. Ich habe keine Antwort gewußt, nur gespürt, wie unter einem inneren Zwang, daß ich meinen Mann hier eines Tages wiederfinden werde .«
    »Was sich bislang aber nicht bestätigt hat.«
    Sie schüttelt den Kopf. »Noch nicht, aber ich glaube, daß ich seiner Entdeckung ganz nah bin. Ich kann es nicht erklären.«
    Mein Gott, sie ist so unirdisch schön in ihrem Schmerz, daß ich sie am liebsten in die Arme nehmen und trösten möchte. Oder vor ihr niederknien und um Vergebung bitten für all die schmutzigen Gedanken, die ich in meinem Leben hatte. Nicht nur ihr Äußeres entspricht dem eines Engels, sondern auch ihre Gedanken, ihre Taten sind nichts als rein. Wie viele Frauen gibt es, die ihrem Mann folgen, nach ihm suchen und selbst nach einem Jahr die Hoffnung noch nicht aufgeben?
    »Ich verstehe trotzdem noch immer nicht, was ich für Sie tun kann!« sage ich. Warum wirkt meine Gabe nicht bei ihr? Niemals zuvor verspürte ich den Wunsch inniger, wirklich zu helfen.
    »Es hat nichts mit meinem Mann zu tun, auch nicht mit der Suche nach ihm«, fährt sie fort. »Ich weiß gar nicht, warum ich Ihnen das alles erzählt habe .« Dann berichtet sie von ihrer Krankheit: Gefühlsstörungen in Armen und Beinen, Schwierigkeiten beim Gehen und Wasserlassen. Hinzu kommen immer öfter Sehstörungen wie Doppelbilder oder Schleiersehen.
    In der folgenden Stunde untersuche ich sie, gründlich und ernst-haft, und ich nehme meinen ärztlichen Eid dabei ernster als jemals zuvor. Nur einmal schaut kurz Miss Steward herein, fragt, ob sie ihre Mittagspause antreten kann oder ob ich noch ihrer Hilfe bedarf. Ich winke sie fort.
    Laura Gabrini liegt fast unbekleidet vor mir, nur noch mit Slip und BH bekleidet, aber ich zwinge mich, mich von ihrem vollendeten weißen Körper nicht ablenken zu lassen. Ich horche sie ab, zapfe Blut, führe weitere Testreihen durch, bis ich mir schließlich keinen Rat mehr weiß.
    »Wie alt sind Sie?« frage ich. Natürlich, es steht auf dem Anmeldeformular, aber ich habe es schon wieder vergessen.
    »Achtundzwanzig.«
    »Zu jung! Zu jung!« murmele ich. Dann schenke ich ihr reinen Wein ein. Alle Anzeichen sprechen für eine ernsthafte Krankheit. »Ist Ihnen die multiple Skerose ein Begriff?«
    »Ein Begriff, ja, aber ich
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