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Der Herr der Tränen

Der Herr der Tränen

Titel: Der Herr der Tränen
Autoren: Sam Bowring
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nur gerade eben, nicht zusammenzubrechen.
    Rostigan, der hinter ihr eintrat, sah sich grimmig um.
    Ein Schwert ragte Braston aus der breiten, starken Brust; sein Kopf, der in einer Ecke lag, war abgewandt; auf dem Boden lag ein zerschmetterter Kelch; und in einer anderen Ecke hatte ein zitternder Heiler die Beine an die Brust gezogen.
    Dafür wird er zahlen. Die Worte begannen sich in ihrem Kopf zu wiederholen. Dafür wird er zahlen, dafür wird er zahlen.
    Rostigan näherte sich dem Heiler. »Was ist hier vorgefallen?«
    Der Mann fing an zu stottern. »Mein … ich wollte … Despirrow … das heißt …«
    »Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit für dein Gefasel«, unterbrach Rostigan ihn.
    »Den ganzen Tag«, wiederholte Yalenna, die zum Fenster hinausstarrte. Das Licht, das hindurchfiel, war jetzt konstant und stark. Der Tag hatte gewonnen.
    »Erzähl uns, was passiert ist«, verlangte Rostigan und wob überzeugende Fäden in seine Worte.
    Der Heiler blinzelte, machtlos, seine Geheimnisse zu verbergen. »Ich bin gekommen, um König Braston Gift zu bringen«, sagte er.
    Yalenna fuhr herum. »Was?«
    Der Heiler nickte. »Auf Befehl des wahren Königs, Loppolo. Herzeleid, gemischt mit Lockenzahn.«
    »Und hat er das Gift getrunken?«
    Als Yalenna auf ihn zustolziert kam, schluckte er.
    »Antworte ihr«, befahl Rostigan.
    »Er hat es getrunken. Dann kam Despirrow, und … nun … Braston war nicht in der Lage, sich zu wehren.«
    Yalenna befand sich jetzt beinahe Nase an Nase mit dem Heiler. »Also habt ihr ihn zusammen getötet.«
    »Ähm …« Das Gesicht des Heilers war voller Furcht – obwohl er unter Rostigans Einfluss gezwungen war, die Wahrheit zu sagen, schien er zu wissen, dass er sich in großen Schwierigkeiten befand.
    »Ich sollte dir die Haut vom Leibe segnen«, knurrte Yalenna.
    »Bei der Großen Magie!«, sagte Jandryn, der in der Tür erschienen war. »Yalenna, Herrin, geht es dir gut?«
    »Ergreif diesen Mann«, sagte sie und stieß mit flammenden Augen den Heiler in seine Arme, »bring ihn in den Kerker. Er hat König Braston vergiftet.«
    »Vergiftet?«, wiederholte Jandryn und schaute zu dem kopflosen Leichnam hinüber.
    »Und schick Wachen aus«, fügte Rostigan hinzu, »um die Burg abzusuchen. Despirrow ist hier irgendwo.«
    Jandryn erbleichte. »Sofort.«
    »Wir sollten ebenfalls nach ihm suchen«, meinte Rostigan. Er berührte Yalenna an der Schulter, und sie zuckte zusammen. »Yalenna? Willst du ihn nicht finden?«
    »Doch«, antwortete sie. »Das will ich.«
    Salarkis tauchte irgendwo zwischen Althala und Tallaho auf. Ein schneller Blick bestätigte, was er bereits vermutet hatte – er hatte es nicht rechtzeitig zu Despirrow geschafft. Entweder befand Despirrow sich auf einem Fadengang, oder er war tot.
    Seufzend setzte er sich mitten ins Nichts, um zu überlegen, was er als Nächstes tun sollte.
    Despirrow erschien auf dem Vorplatz der Burg von Tallaho. Diesmal wurde seine plötzliche Ankunft kaum bemerkt, da alle Anwesenden den Himmel beobachteten – hier wie andernorts war die Mitte der Nacht schnell zum Tag geworden.
    Er hielt inne, um ein oder zwei Personen zu betrachten, um über den neuen Sinn zu staunen, den er erworben hatte. Er konnte eine neue Art von Fäden sehen, von denen mehrere von jeder einzelnen Person ausgingen – nicht Teil ihrer Struktur, sondern Teil der Struktur. Es hatte etwas damit zu tun, wie alles miteinander verbunden war – er gab nicht vor, das zu verstehen –, aber offensichtlich war das die Art, wie Braston in der Lage gewesen war zu entdecken, wo Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit lagen.
    Er ging in die Burg und fühlte sich so mächtig, dass er beinahe hoffte, dass Wachen versuchen würden, ihm den Weg zu versperren – doch sie verneigten sich einfach und ließen ihn passieren.
    Ich bin hier bereits bekannt, dachte er seltsam enttäuscht.
    »Sieh dich an«, sagte er zu einem von ihnen. »Deine Mutter hat dich ganz allein großgezogen, und du besuchst sie nicht einmal mehr! Schande über dich.«
    Der Wachposten blinzelte überrascht, und Despirrow ging weiter. Es würde Spaß machen, Brastons Kräfte zu besitzen!
    Er spürte Forger im Spiegelraum auf. Der Herr von Tallaho starrte in den Spiegel, kicherte und rieb sich die Hände.
    »Ach herrje!«, krähte Forger. »Du solltest herkommen und dir das ansehen, Despirrow! Sie laufen in der Burg umher wie kleine Ameisen und suchen immer noch nach dir … und ich habe es gesehen, ich habe dein Werk
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