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Der Herr der Tränen

Der Herr der Tränen

Titel: Der Herr der Tränen
Autoren: Sam Bowring
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konnte, oder auch nur viel länger. Seine Erholungszyklen ließen immer länger auf sich warten und dauerten nicht mehr so lange an, bevor sich wieder Schwere auf seine Glieder senkte. Der Griff, mit dem er die Zeit hielt, fühlte sich schlüpfrig an und Übelkeit erregend, als hätte er etwas Glitschiges und Verfaultes ergriffen. Schon bald würde er loslassen müssen.
    Und er würde es tun.
    Vor ihm ragten Althalas Türme auf. Er konnte nicht glauben, dass er es geschafft hatte. So lange hatte er sie vor seinem inneren Auge festgehalten und gehofft, sie hinter jedem Hügel zu sehen, hinter jeder Biegung, und endlich waren sie da.
    Während der Himmel über ihm immer weiter aufriss, stahl Despirrow sich die Straße entlang und nach Althala hinein.

EIN NEUER TAG
    Er schlich vorsichtig weiter, hielt sich dicht an Mauern, denn seine Bewegungen zwischen den Erstarrten würden den anderen Wächtern gewiss auffallen. Er sah jedoch niemanden auf den Straßen und erreichte schon bald den
offenen Platz vor der Burg. Hier lag die echte Gefahr –
Yalenna und Karrak waren höchstwahrscheinlich irgendwo in der Nähe, denn welchen Sinn hätte es, sich irgendwo anders hinzubegeben? Und wenn sie zufällig auf den Platz schauten … Er erwartete aber nicht, dass sie Wache hielten.
    Er hielt sich unter den Blättern eines Baums am Rand des Platzes. Er wünschte, er hätte darauf vertrauen können, dass die Dunkelheit der Nacht ihn verbarg, aber die Risse im Himmel wurden größer, und das Licht des Tages quoll hervor – vielleicht sogar das Licht von mehreren Wochen! Selbst Despirrow musste fürchten, was er getan hatte, obwohl er sich sagte, dass es einfach Sorge darum war, dass die Welt ruiniert sein würde, bevor er eine Chance hatte, sie zu genießen.
    Dann bemerkte er eine Bewegung auf dem Dach der Burg – zwei Gestalten, von denen eine nach oben deutete. Er lächelte erleichtert, denn es war einfacher, ihnen jetzt aus dem Weg zu gehen, da er wusste, wo sie waren. Sobald sie sich vom Rand zurückzogen, überquerte er im Laufschritt den Platz. Durch den offenen Bogengang des Haupteingangs ging er, vorbei an Wachen, direkt auf Brastons Quartier zu. Da er nur allzu vertraut mit diesem Ort war, fand er seinen Weg ohne Mühe, und in der Tat, ein Anflug von Wehmut streifte ihn, während er weiterging. Burg Althala war viele Jahre seine Arena gewesen.
    Ein Raum insbesondere ließ ihn innehalten, als er daran vorüberging. Er erinnerte ihn an seine letzte Nacht auf der Burg. Er hatte das Schloss geöffnet und war in Abwesenheit ihres Mannes über die schlafende Jariss, eine Hofdame, hergefallen. Er hatte ihr stundenlang seinen Willen aufgezwungen, nachdem er ihre Stimme erstickt hatte, sodass sie nicht aufschreien konnte, während er sie hart an allen empfindlichen Stellen kniff. Er hatte sie aufrecht stehend genommen und ihr Hinterteil unbarmherzig gegen die Wand krachen lassen, bis es voller Prellungen gewesen war. Wie bejammernswert, inmitten eines solchen Vergnügens gestört zu werden – zu spüren, dass jemand von draußen die Veränderungen rückgängig machte, die er an der Tür vorgenommen hatte. Er hatte die Dame beiseitegestoßen und war in den begehbaren Kleiderschrank geflohen. Dann hatte er dessen hölzerne Rückwand und die Mauern dahinter geteilt, um aus dem Raum zu entkommen. Als die Wand sich hinter ihm geschlossen hatte, hatte er Braston hereinstürmen hören und gewusst, dass es nicht mehr möglich sein würde zu verbergen, wozu er geworden war. Wenn Braston zuvor schon etwas vermutet hatte, wusste er es jetzt mit Bestimmtheit. Despirrow war zur Flucht gezwungen und hatte nie das Grauen des Begreifens in den Augen seines alten Freundes gesehen, denn Geringschätzung hatte es allzu schnell ersetzt.
    Du warst so schnell bei der Hand mit deinem Urteil, Braston. Du hast nicht einmal versucht zu verstehen.
    Als er den Flur betrat, der zu Brastons Gemach führte, drohte eine wachsende Erregung ihn zum Kichern zu bringen. Er passierte einen Spiegel mit silbernem Rahmen an der Wand und bewunderte ihn flüchtig, als er daran vorbeiging. So viele Jahre hatte er dort gehangen, ein Geschenk, das gar kein Geschenk war. Würde Forger bereit sein zu beobachten, was in den nächsten paar Minuten geschah? Er konnte allerdings nicht einmal wissen, dass er, Despirrow, jetzt endlich sein Ziel erreicht hatte.
    Der verräterische »Heiler« und die Wachen standen draußen vor Brastons Tür, einer der Wachposten war drauf und dran,
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