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Der Herr der Falken - Schlucht

Der Herr der Falken - Schlucht

Titel: Der Herr der Falken - Schlucht
Autoren: Catherine Coulter
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Sein schwarzer Umhang blähte sich hinter ihm. Er stand hochaufgerichtet auf der Hügelkuppe und hielt den Burra mit gestreckten Armen über sich. Er sprach seine Zauberformeln. Die geraunten Worte wurden vom Sturm übertönt, der das Kriegsschiff immer schneller auf die Mole zutrieb, an der es zu zerschellen drohte. Die Seeleute beteten zu
    Odin, Thor und Freya, andere rannten in kopflosem Entsetzen durcheinander. Kerek und Torric brüllten auf sie ein, zurück auf die offene See zu rudern, doch der Sturm schob das Boot gnadenlos auf den Kai zu.
    In all dem panischen Gewirr stand die lächelnde Chessa.
    Turella kämpfte sich durch den Sturm an ihre Seite.
    »Das ist dein Werk«, schrie sie Chessa an. »Ich sehe es in deinem Hexenblick. Es ist dein Werk. Hör auf damit! Gebiete dem Wahnsinn Einhalt, ehe wir alle tot sind.«
    »Ja, es ist mein Werk. Doch ich werde unbeschadet daraus hervorgehen. Wenn das Schiff an der Mole zerschellt, werden Eure Männer um ihr Leben rennen. Und ich werde Euch verlassen, Turella, und Euch hoffentlich nie Wiedersehen. Ihr haltet diesen Sturm für Wahnsinn? Ich habe meine Macht noch nicht ausgeschöpft. Das ist erst der Anfang.«
    Das Schiff schlug so hart gegen die Holzpfähle, daß der ganze Rumpf erzitterte. Das Krachen von berstendem Holz erfüllte die Nacht, und übertönte das wütende Rasen des Sturms. Männer sprangen schreiend vom Schiff auf die Mole, kletterten über zerborstene Planken und rannten davon, als sei der Belzebub hinter ihnen her.
    »Feiglinge!« schrie Turella verächtlich, doch ihre Stimme wurde vom Sturm erstickt, und Regen und Meerwasser ergossen sich in ihren Mund.
    »Hör auf damit, Chessa.«
    »Nein. Kerek, bring deine Königin in Sicherheit! Ragnor liegt immer noch betrunken unter der Plane. Ich gehe jetzt. Ich hätte dich gern zum Freund gehabt, aber du hast es dir verscherzt. Ich wünsche dir kein Glück, Kerek.«
    Er packte ihren Arm. »Ich laß Euch nicht gehen.«
    Und dann vernahm sie Cleves Stimme: »Laß sie los, Kerek. Das Spiel ist aus.«
    »Er weiß, daß ich den Sturm herbeigerufen habe«, beeilte sich Chessa zu sagen. »Er will es nur nicht wahrhaben. Ich lasse das Unwetter noch schlimmer werden, wenn du mich nicht losläßt, Kerek. Oder Cleve tötet dich.«
    Kerek ließ ihren Arm los.
    »Bring deinen jämmerlichen König in Sicherheit«, rief
    Chessa über die Schulter hinweg, als Cleve sie hochhob und sie wie einen Ball dem auf der Mole stehenden Igmal zuwarf.
    Kerek umfing Turella und legte sie über seine Schulter. »Wir werden diese Katastrophe überleben«, knirschte er zwischen den Zähnen und sprang auf die Mole. Er stolperte über zersplitterte Planken und fiel mit der Königin zu Boden. Da lagen sie beide keuchend übereinander auf den zerborstenen Holzplanken.
    So plötzlich der furchtbare Sturm begonnen hatte, so plötzlich war der Spuk vorüber. Der Regen hörte auf, und der Sturm legte sich. Die Luft stand still. Die Nacht war lau. Ein letzter Blitz zuckte wie ein freundlicher Abschiedsgruß der Dämonen, die das gewaltige Schauspiel ausgelöst hatten, über den Nachthimmel.
    Turella richtete sich auf. »Sie hätte uns umbringen können«, flüsterte sie.
    Kerek blickte Cleve hinterher, der seine Frau auf den Armen an Land trug. Die restlichen Gefolgsleute der Königin, die nicht kopflos geflohen waren, standen keuchend auf der zersplitterten Mole, verstört und dankbar, daß sie noch am Leben waren.
    »Das war das Werk der Prinzessin«, meldete sich Torric als erster zu Wort. »Ich will sie nicht in York haben. Das nächste Mal bringt sie uns alle um.«
    »Ja«, pflichteten die Männer ihm bei.
    »Sie ist eine Hexe.«
    »Gerade noch war die Nacht so schwarz, daß man die Hand nicht vor den Augen sehen konnte. Jetzt zeigt sich der Mond wieder.«
    »Wir müssen schleunigst von hier fort.«
    Kerek hörte den Männern zu und wußte nun endgültig, daß er das Spiel verloren hatte. Er stand auf und hielt Turella die Hand hin, um der völlig durchnäßten Königin auf die Füße zu helfen.
    »Seid Ihr unversehrt, Mylady?«
    Sie nickte stumm. Dann stand sie da wie versteinert, sie schien nicht einmal mehr zu atmen. Mit aufgerissenen Augen starrte sie über Kereks Schulter, der sich daraufhin langsam umdrehte. Ein hochgewachsener, schwarzgekleideter Mann kam in langen Schritten auf sie zu. Der Mondschein tauchte die Gestalt in fahles Licht. Er trug kein Schwert, seine bleichen Hände waren leer. Ein Windstoß fuhr in seinen Umhang und
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