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Der Hausflug

Titel: Der Hausflug
Autoren: Gert Prokop
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dazu fehlen mir exakte Angaben über Xindys Planeten, aber jung sind wir, das stimmt, fast unvorstellbar jung sogar, wenn wir die Zeit bedenken, seit der es uns Menschen überhaupt gibt.
    Es ist kaum möglich, sich Zeiträume von Milliarden und Millionen Jahren vorzustellen, aber wie lang ein Jahr ist, weiß jeder. Deshalb haben Wissenschaftler vorgeschlagen, sich die Spanne zwischen der Entstehung der Erde und heute einmal als ein Jahr vorzustellen.
    Seit etwa fünf Milliarden Jahren besteht die Erde. Wenn wir diese fünf Milliarden Jahre in unserem Denkmodell zu einem Jahr zusammenschrumpfen lassen, dann beginnt in der Neujahrsnacht die Geschichte unseres Planeten. Erst Anfang Juli hat sich das allererste Leben auf der Erde entwickelt: Zellen, die man nur unter dem Mikroskop sehen könnte. Die ältesten Funde von Algen und anderen primitiven Organismen sind 600 bis 800 Millionen Jahre alt; nach unserem Kalender stammen sie also vom 29. Dezember!
    Die Wirbeltiere tauchen am 30. Dezember auf und die Säugetiere am 31. Dezember, etwa um 14.00 Uhr des Silvestertages. Die Geschichte der Menschheit beginnt zwanzig Minuten vor Mitternacht, wohlgemerkt die Urgeschichte; was wir meinen, wenn wir von Geschichte sprechen, die Zeitspanne zwischen der Steinzeit und heute, fängt nach dieser Rechnung erst zwei Sekunden vor Mitternacht an, und die anderthalb Jahrhunderte seit der Erfindung der Eisenbahn fallen mit dem Verklingen des letzten Glockenschlages der Silvesterglocken zusammen. Ja, wir Menschen sind eine sehr, sehr junge Lebensform.
    Und noch ein bildhafter Vergleich sollte uns zu denken geben. Die „Biosphäre“ der Erde, das heißt der Raum, in dem Leben überhaupt möglich ist, erstreckt sich von rund 2000 Metern über der Erdoberfläche bis 1000 Meter in die Tiefe der Ozeane. Wenn wir uns die Erde als eine Kugel vorstellen, die gerade so groß ist wie diese Buchseite breit, dann wäre die Zone des Lebens nur einen Viertelmillimeter dick; wir könnten sie mit bloßem Auge nicht einmal sehen.
    Wahrlich, eine hauchdünne Angelegenheit. Und eine äußerst empfindliche dazu. Wenn die Temperatur auf unserem Planeten im Jahresdurchschnitt um ein paar Grad zurückgeht, bricht eine neue Eiszeit herein, wenn sie um ein paar Grad ansteigt, schmelzen die Gletscher und das Eis der Polregionen, die Weltmeere steigen an und überfluten riesige Teile des jetzt bewohnten Landes. Eine große Zahl sehr ernst zu nehmender Wissenschaftler warnt, daß wir Menschen gerade dabei sind, durch den sorglosen Umgang mit der Natur die Atmosphäre der Erde aufzuheizen.
    Wir Menschen haben in unserer jungen Geschichte sehr viel vollbracht, von der Erfindung des Feuermachens und des Rades bis zu den Raumschiffen und Computern, aber wir müssen aufpassen, daß wir die dünne Lebenssphäre der Erde nicht so beschädigen, daß wir nicht mehr auf ihr leben können. Xindy hat recht, wir müssen sehr sorgsam mit unserem Planeten umgehen, es ist wirklich nicht selbstverständlich, daß es überhaupt Leben auf der Erde gibt und daß es immer so bleibt.
     

Das achtzehnte

    Besuch bei Mutter
Endlich: Phlochl für Xindy Die Zeit kann niemand zurückdrehen
     
    Jonas mußte beim Pförtner warten. Mutter winkte ihm schon von weitem mit beiden Händen zu. Sie trug jetzt eine andere Frisur. Bestimmt waren das die Dauerwellen, die Vater nicht leiden konnte und über die beide sich so heftig gestritten hatten.
    „Junge!“ rief Mutter, als sie atemlos am Pförtnerhäuschen ankam, ihr Gesicht war vom Laufen gerötet. „Jonas, das ist aber eine schöne Überraschung.“
    Sie drückte ihn an sich, küßte ihn auf beide Wangen, immer wieder. Jonas hätte sich gerne aus ihren Armen gewunden. Begrüßte man so einen Jungen! Aber er hielt still. Und nicht nur, um Mutter nicht zu kränken. Er ließ sich an ihre Brust drücken, schlang seine Arme um sie, hörte ihr Herz schlagen. Laut und schnell. Sein Herz schlug noch schneller. Und daß ihm immer diese verdammten Tränen in die Augen kamen!
    Mutter weinte auch. Er holte tief Luft, um das Schluchzen niederzukämpfen, das ihn im Hals würgte, dabei stieg ihm der Geruch ihres Parfüms in die Nase. Dieses Parfüm, das sie schon in den letzten Wochen vor der Scheidung genommen hatte und das Vater immer in Wut versetzte – weshalb Mutter es, je nach Laune, nicht oder erst recht nahm. Er löste sich von ihr.
    „Ich kann mir bestimmt frei nehmen“, sagte Mutter und drückte seine Oberarme. „Wollen wir Eis essen gehen?
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