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Der Hausflug

Titel: Der Hausflug
Autoren: Gert Prokop
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Ganz in der Nähe ist eine phantastische Konditorei.“
    Phantastisch war das Stichwort, das den Bann des Wiedersehens brach und Jonas wieder an Xindy erinnerte.
    „Du hast mir mal versprochen, daß du mir deinen Betrieb zeigst“, sagte er. „Erinnerst du dich?“
    „Selbstverständlich“, rief sie. „Ich erinnere mich an alles. Ich denke jeden Tag an dich, ich…“ Sie schluchzte auf, ließ ihn los, holte ein Taschentuch aus ihrem Kittel und wischte sich die Tränen ab.
    „Ich bin eine Heulsuse, was? Komm.“ Sie nahm ihn an die Hand und zog ihn am Pförtnerhaus vorbei. Der Pförtner schmunzelte.
    Es war schön, wieder einmal so Hand in Hand zu gehen. Manchmal hatte Jonas Sehnsucht danach, eine Hand zu halten, aber Vater konnte das nicht leiden. Sabine manchmal: Wenn es schon dämmerte und sie am Fluß spazierengingen und Pläne für die Zukunft schmiedeten, die verrücktesten Luftschlösser entwarfen. Was könnte er Sabine jetzt alles erzählen!
    Jonas mußte an sich halten, damit er nicht auf der Stelle Mutter die ganze Geschichte mit Xindy erzählte.
    „Was willst du sehen?“ fragte sie. „Das ganze Werk kann ich dir unmöglich zeigen, es ist viel zu groß. Willst du sehen, wo ich arbeite?“
    „Büros sehen alle gleich aus“, sagte Jonas.
    „Du, wir haben eine neue Produktion aufgenommen, Prüfgeräte für Computerchips. Vielleicht bekomme ich ausnahmsweise die Genehmigung, es dir zu zeigen. Ich weiß doch, wie du dich für Computer interessierst. Ihr habt bestimmt schon einen?“
    „Noch immer nicht. Aber dieses Jahr kaufen wir noch einen, hat Papa gesagt.“
    „Und sonst? Bestimmt hat sich vieles verändert?“ Jonas sah sie an, Mutter wandte den Blick ab.
    „Nein“, sagte er. „Gar nichts. Nur daß wir beide jetzt allein sind. Unsere Männerwirtschaft ist richtig prima. Es gefällt mir gut so.“
    Er hatte Angst, daß sie fragen würde, ob es ihm noch besser gefiel als damals, zu dritt. Er wollte ihr nicht weh tun, aber er fand, es war besser. Zumindest besser als in den letzten Monaten, in denen Vater und Mutter sich fast nur noch gestritten hatten. Oder geschwiegen.
    „Zuerst möchte ich gerne sehen, wie man Thermometer und Barometer und so was macht“, sagte er schnell.
    „Warum gerade das?“ fragte Mutter erstaunt.
    „Wir haben es in der Schule durchgenommen.“ Das war zwar nicht die ganze Wahrheit, aber es war auch nicht gelogen. Er wollte Mutter nur im äußersten Notfall belügen, aber der kam gleich.
    „Wie kommt es, daß du mich heute besuchst?“ sagte sie. „Ich denke, du bist bei Oma.“
    „Woher weißt du das?“
    „Dein Vater hat mich gestern abend angerufen.“
    „Dich?“
    „Wir telefonieren ab und zu miteinander. Ich muß doch wissen, was mit dir los ist. Dein Vater sagte, du seist schon bei der Oma und er würde heute gleich nach der Arbeit nach Hunsbrück fahren.“
    Also telefonierten die beiden heimlich miteinander, dachte Jonas wütend. Unterhielten sich über ihn. Hinter seinem Rücken. Dann packte ihn schlechtes Gewissen. Wie sollte sie sonst erfahren, wie es ihm ging. Er war froh, daß, es sie interessierte. Er nahm sich vor, öfter an Mutter zu schreiben und nicht nur die Karte, auf der Vater bestand; wenigstens zweimal im Monat würde er ihr ausführliche Briefe schreiben.
    „Du verrätst Papa doch nicht, daß ich dich besucht habe, nein?“
    „Wenn du es nicht willst.“
    „Versprochen?“ Jonas hielt ihr die Hand hin, und Mutter schlug ein.
    Für diese Abteilung brauchte Mutter keine Sondergenehmigung, es genügte, daß sie mit dem Meister sprach, dann durften sie in die Halle. Und in das Lager. Sobald Jonas gesehen hatte, wo man hier das Quecksilber aufbewahrte, wurde er unruhig, drängelte, sah schließlich unübersehbar auf seine Uhr und erklärte, nun müsse er wieder verschwinden.
    „Ich dachte, wir gehen noch Eis essen“, sagte Mutter traurig.
    „Ein andermal, ja?“
    „Du besuchst mich wieder?“
    Jonas schlug die Augen nicht nieder. „Ganz bestimmt“, sagte er.
    „Du mußt es nicht heimlich tun“, sagte sie, „dein Vater hat bestimmt nichts dagegen, du mußt es ihm nur sagen. Willst du nicht mal in den Sommerferien kommen?“
    Jonas schüttelte den Kopf. So sehr er sich in diesem Augenblick danach sehnte, wieder einmal länger mit Mutter zusammen zu sein, den anderen Mann wollte er nicht kennenlernen, niemals.
    „Wir fahren weg“, sagte sie. „Nur wir beide. Überleg es dir, ja?“
    „Gut, ich denke darüber nach“, versprach
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