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Der gute Mensch von Sezuan

Der gute Mensch von Sezuan

Titel: Der gute Mensch von Sezuan
Autoren: Hermann Hesse
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hinein. Das Kind hat ihr nachgesehen. Jetzt geht es, sich scheu umschauend, zum Mülleimer und fischt darin herum. Es fängt an, daraus zu essen. Shen Te und die drei kommen zurück.
    DIE FRAU Du verstehst wohl, daß wir uns vollständig auf dich verlassen.
    SHEN TE Ja. Sie erblickt das Kind und erstarrt.
    DER MANN Wir suchen dich übermorgen in den Häusern des Herrn Shu Fu auf.
    SHEN TE Geht jetzt schnell, mir ist nicht gut.
    Sie schiebt sie weg. Die drei ab.
    SHEN TE Es hat Hunger. Es fischt im Kehrichteimer. Sie hebt das Kind auf, und in einer Rede drückt sie ihr Entsetzen aus über das Los armer Kinder, dem Publikum das graue Mäulchen zeigend. Sie beteuert ihre Entschlossenheit, ihr eigenes Kind keinesfalls mit solcher Unbarmherzigkeit zu behandeln.
    O Sohn, o Flieger! In welche Welt
    Wirst du kommen? Im Abfalleimer
    Wollen sie dich fischen lassen, auch dich? Seht doch
    Dies graue Mäulchen!
    Sie zeigt das Kind.
    Wie
    Behandelt ihr euresgleichen? Habt ihr
    Keine Barmherzigkeit mit der Frucht
    Eures Leibes? Kein Mitleid
    Mit euch selber, ihr Unglücklichen? So werde ich
    Wenigstens das meine verteidigen und müßte ich
    Zum Tiger werden. Ja, von Stund an
    Da ich das gesehen habe, will ich mich scheiden
    Von allen und nicht ruhen
    Bis ich meinen Sohn gerettet habe, wenigstens ihn!
    Was ich gelernt in der Gosse, meiner Schule
    Durch Faustschlag und Betrug, jetzt
    Soll es dir dienen, Sohn, zu dir
    Will ich gut sein, und Tiger und wildes Tier
    Zu allen andern, wenn's sein muß. Und
    Es muß sein.
    Sie geht ab, sich in den Vetter zu verwandeln.
    SHEN TE im Abgehen: Einmal ist es noch nötig, das letzte Mal, hoffe ich.
    Sie hat die Hose des Shui Ta mitgenommen. Die zurückkehrende Shin sieht ihr neugierig nach. Herein die Schwägerin und der Großvater.
    DIE SCHWÄGERIN Der Laden geschlossen, der Hausrat im Hof! Das ist das Ende!
    DIE SHIN Die Folgen des Leichtsinns, der Sinnlichkeit und der Eigenliebe! Und wohin geht die Fahrt? Hinab! In die Baracken des Herrn Shu Fu, zu euch!
    DIE SCHWÄGERIN Da wird sie sich aber wundern! Wir sind gekommen, um uns zu beschweren! Feuchte Rattenlöcher mit verfaulten Böden! Der Barbier hat sie nur gegeben, weil ihm seine Seifenvorräte darin verschimmelt sind. »Ich habe ein Obdach für euch, was sagt ihr dazu?« Schande! sagen wir dazu.
    Herein der Arbeitslose.
    DER ARBEITSLOSE Ist es wahr, daß Shen Te wegzieht?
    DIE SCHWÄGERIN Ja. Sie wollte sich wegschleichen, man sollte es nicht erfahren.
    DIE SHIN Sie schämt sich, da sie ruiniert ist.
    DER ARBEITSLOSE aufgeregt: Sie muß ihren Vetter rufen! Ratet ihr alle, daß sie den Vetter ruft! Er allein kann noch etwas machen.
    DIE SCHWÄGERIN Das ist wahr! Er ist geizig genug, aber jedenfalls rettet er ihr den Laden, und sie gibt ja dann.
    DER ARBEITSLOSE Ich dachte nicht an uns, ich dachte an sie. Aber es ist richtig, auch unseretwegen müßte man ihn rufen.
    Herein Wang mit dem Schreiner. Er führt zwei Kinder an der Hand.
    DER SCHREINER Ich kann Ihnen wirklich nicht genug danken. Zu den andern: Wir sollen eine Wohnung kriegen.
    DIE SHIN Wo?
    DER SCHREINER In den Häusern des Herrn Shu Fu! Und der kleine Feng war es, der die Wendung herbeigeführt hat! Hier bist du ja! »Da ist einer, der bittet um Obdach«, soll Fräulein Shen Te gesagt haben, und sogleich verschaffte sie uns die Wohnung. Bedankt euch bei eurem Bruder, ihr!
    Der Schreiner und seine Kinder verbeugen sich lustig vor dem Kind.
    DER SCHREINER Unsern Dank, Obdachbitter!
    Hereingetreten ist Shui Ta.
    SHUI TA Darf ich fragen, was Sie alle hier wollen?
    DER ARBEITSLOSE Herr Shui Ta!
    WANG Guten Tag, Herr Shui Ta. Ich wußte nicht, daß Sie zurückgekehrt sind. Sie kennen den Schreiner Lin To. Fräulein Shen Te hat ihm einen Unterschlupf in den Häusern des Herrn Shu Fu zugesagt.
    SHUI TA Die Häuser des Herrn Shu Fu sind nicht frei.
    DER SCHREINER So können wir dort nicht wohnen?
    SHUI TA Nein. Diese Lokalitäten sind zu anderem bestimmt.
    DIE SCHWÄGERIN Soll das heißen, daß auch wir heraus müssen?
    SHUI TA Ich fürchte.
    DIE SCHWÄGERIN Aber wo sollen wir da alle hin?
    SHUI TA die Achsel zuckend: Wie ich Fräulein Shen Te, die verreist ist, verstehe, hat sie nicht die Absicht, die Hand von Ihnen allen abzuziehen. Jedoch soll alles etwas vernünftiger geregelt werden in Zukunft. Die Speisungen ohne Gegendienst werden aufhören. Statt dessen wird jedermann die Gelegenheit gegeben werden, sich auf ehrliche Weise wieder emporzuarbeiten. Fräulein Shen Te hat beschlossen,
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