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Der gute Mensch von Sezuan

Der gute Mensch von Sezuan

Titel: Der gute Mensch von Sezuan
Autoren: Hermann Hesse
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daß sie euch bei sich aufnahm, als ihr um ein Nachtlager verlegen wart, o Schande! Ich bin sicher, ihr versteht meine Sorge um sie.
    DER DRITTE GOTT Was schlägst du vor?
    WANG Eine kleine Herabminderung der Vorschriften, Erleuchtete. Eine kleine Erleichterung des Ballens der Vorschriften, Gütige, in Anbetracht der schlechten Zeiten.
    DER DRITTE GOTT Als da wäre, Wang, als da wäre?
    WANG Als da zum Beispiel wäre, daß nur Wohlwollen verlangt würde anstatt Liebe oder …
    DER DRITTE GOTT Aber das ist doch noch schwerer, du Unglücklicher!
    WANG Oder Billigkeit anstatt Gerechtigkeit.
    DER DRITTE GOTT Aber das bedeutet mehr Arbeit!
    WANG Dann bloße Schicklichkeit anstatt Ehre!
    DER DRITTE GOTT Aber das ist doch mehr, du Zweifelnder!
    Sie wandern müde weiter.

8
Shui Tas Tabakfabrik
    In den Baracken des Herrn Shu Fu hat Shui Ta eine kleine Tabakfabrik eingerichtet. Hinter Gittern hocken, entsetzlich zusammengepfercht, einige Familien, besonders Frauen und Kinder, darunter die Schwägerin, der Großvater, der Schreiner und seine Kinder.
    Davor tritt Frau Yang auf, gefolgt von ihrem Sohn Sun.
    FRAU YANG zum Publikum: Ich muß Ihnen berichten, wie mein Sohn Sun durch die Weisheit und Strenge des allgemein geachteten Herrn Shui Ta aus einem verkommenen Menschen in einen nützlichen verwandelt wurde. Wie das ganze Viertel erfuhr, eröffnete Herr Shui Ta in der Nähe des Viehhofs eine kleine, aber schnell aufblühende Tabakfabrik. Vor drei Monaten sah ich mich veranlaßt, ihn mit meinem Sohn dort aufzusuchen. Er empfing mich nach kurzer Wartezeit.
    Aus der Fabrik tritt Shui Ta auf Frau Yang zu.
    SHUI TA Womit kann ich Ihnen dienen, Frau Yang?
    FRAU YANG Herr Shui Ta, ich möchte ein Wort für meinen Sohn bei Ihnen einlegen. Die Polizei war heute morgen bei uns, und man hat uns gesagt, daß Sie im Namen von Fräulein Shen Te Anklage wegen Bruch des Heiratsversprechens und Erschleichung von 200 Silberdollar erhoben haben.
    SHUI TA Ganz richtig, Frau Yang.
    FRAU YANG Herr Shui Ta, um der Götter willen, können Sie nicht noch einmal Gnade vor Recht ergehen lassen? Das Geld ist weg. In zwei Tagen hat er es durchgebracht, als der Plan mit der Fliegerstelle scheiterte. Ich weiß, er ist ein Lump. Er hat auch meine Möbel schon verkauft gehabt und wollte ohne seine alte Mama nach Peking. Sie weint. Fräulein Shen Te hielt einmal große Stücke auf ihn.
    SHUI TA Was haben Sie mir zu sagen, Herr Yang Sun?
    SUN finster: Ich habe das Geld nicht mehr.
    SHUI TA Frau Yang, der Schwäche wegen, die meine Kusine aus irgendwelchen, mir unbegreiflichen Gründen für Ihren verkommenen Sohn hatte, bin ich bereit, es noch einmal mit ihm zu versuchen. Sie hat mir gesagt, daß sie sich durch ehrliche Arbeit eine Besserung erwartet. Er kann eine Stelle in meiner Fabrik haben. Nach und nach werden ihm die 200 Silberdollar vom Lohn abgezogen werden.
    SUN Also Kittchen oder Fabrik?
    SHUI TA Sie haben die Wahl.
    SUN Und mit Shen Te kann ich wohl nicht mehr sprechen?
    SHUI TA Nein.
    SUN Wo ist mein Arbeitsplatz?
    FRAU YANG Tausend Dank, Herr Shui Ta! Sie sind unendlich gütig, und die Götter werden es Ihnen vergelten. Zu Sun: Du bist vom rechten Wege abgewichen. Versuch nun, durch ehrliche Arbeit wieder so weit zu kommen, daß du deiner Mutter in die Augen schauen kannst.
    Sun folgt Shui Ta in die Fabrik. Frau Yang kehrt an die Rampe zurück.
    FRAU YANG Die ersten Wochen waren hart für Sun. Die Arbeit sagte ihm nicht zu. Er hatte wenig Gelegenheit, sich auszuzeichnen. Erst in der dritten Woche kam ihm ein kleiner Vorfall zu Hilfe. Er und der frühere Schreiner Lin To mußten Tabakballen schleppen.
    Sun und der frühere Schreiner Lin To schleppen je zwei Tabakballen.
    DER FRÜHERE SCHREINER hält ächzend inne und läßt sich auf einem Ballen nieder: Ich kann kaum mehr. Ich bin nicht mehr jung genug für diese Arbeit.
    SUN setzt sich ebenfalls: Warum schmeißt du ihnen die Ballen nicht einfach hin?
    DER FRÜHERE SCHREINER Und wovon sollen wir leben? Ich muß doch sogar, um das Notwendigste zu haben, die Kinder einspannen. Wenn das Fräulein Shen Te sähe! Sie war gut.
    SUN Sie war nicht die Schlechteste. Wenn die Verhältnisse nicht so elend gewesen wären, hätten wir es ganz gut miteinander getroffen. Ich möchte wissen, wo sie ist. Besser, wir machen weiter. Um diese Zeit pflegt er zu kommen.
    Sie stehen auf.
    SUN sieht Shui Ta kommen: Gib den einen Sack her, du Krüppel! Sun nimmt auch noch den einen Ballen Lin Tos auf.
    DER FRÜHERE
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