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Der gute Liebhaber

Der gute Liebhaber

Titel: Der gute Liebhaber
Autoren: Steinunn Sigurdardóttir
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einstmals eine Zukunft begonnen hatte, im Mondlicht wie eine Fata Morgana vor ihm aus.
    Als er sich endlich dazu aufraffte, mit steifen Knochen aufzustehen, stellte er fest, dass die Wohnungstür noch offen war und sein Koffer draußen auf dem Flur stand. Ein solches Verhalten sah ihm gar nicht ähnlich. Er korrigierte die Panne verwundert, um nicht zu sagen erschreckt.
    Die Wohnung war, wie sie sein sollte. Stilrein und weiträumig. Hohe Decken, weiße Wände, dunkles Parkett. Wenige, aber exquisite Möbel. Eine Espressomaschine, die er auch gewählt haben würde. Kein störender Krimskrams. Nur eines fehlte, die Rosen. Das war ein Manko. Bei dem Preis für die Unterkunft sollte man eigentlich davon ausgehen können, dass allen Anforderungen bis ins Detail entsprochen wurde. Die Rosen waren allerdings die Hauptsache. Am liebsten hätte er Lotta angerufen, damit sie das in Ordnung brachte, aber in Amerika war natürlich Nacht.
    Im Kühlschrank fehlte nichts. Ein ausgehungerter Mann beäugte isländischen Quark mit Sahne, geräuchertes Lammfleisch und Fladenkuchen nach Großmutterart. Er war zu benommen, um sich zu Taten aufzuraffen, trank stattdessen gierig klares isländisches Wasser aus dem Kran und ließ sich der Länge nach auf die dunkelblaue Kaschmirdecke fallen, die über das Zweimeterbett gebreitet war.
    Als er nach langen wirren Träumen mit Melodien von Nino Rota wieder zu sich kam, war er stinkwütend auf sich selber und seine Planung. Er hatte gegen eine Grundregel verstoßen, indem er nach Island gekommen war, ohne seiner Schwester Fríða oder seiner Nichte Ásta Bescheid zu sagen. Er war schlecht ausstaffiert für diese klirrend kalte Stadt und würde gezwungen sein, sich warme Sachen zu kaufen, falls er es tatsächlich zum Friedhof schaffen wollte, um Ástamama Rosen aufs Grab zu legen.
    Der Reisende war in einem Zustand, dass er sich regelrecht dazu zwingen musste, den Koffer zu öffnen und Hosen und Jacketts aufzuhängen, den schwarzen Pyjama auszupacken und aufs Bett zu legen. Er war einfach in Hose und Hemd eingeschlafen, was ihm, dem leidenschaftlichen Pyjamaträger, niemals passiert war, soweit er zurückdenken konnte.
    Trotz nagenden Hungers stand ihm der Sinn nicht nach isländischen Delikatessen, sondern es verlangte ihn schlicht und ergreifend nach einem Hot Dog und Cola an der Tankstelle. Eine idiotische Idee, doch er war entschlossen, sie in die Tat umzusetzen. Er zog sich zwei Unterhosen, zwei Paar Socken, ein kurzärmeliges Hemd und einen dünnen Pullover an.
    Als er nach draußen kam und in Richtung des alten Eiszapfenhauses blickte, war er darauf gefasst, dort irgendwelche verdächtigen Gestalten herumschleichen zu sehen, aber niemand war in der Februarfinsternis unterwegs, abgesehen von einem Penner, der wie ein Irrender im Nebel
Ho!
rief.
    Die Sache mit dem Hot Dog gestaltete sich unversehens zu einem ausgesprochenen Problem für den Reisenden, denn inzwischen gab es alle möglichen Würstchen im Angebot, mit gebratenem Speck, gegrillt, mit Kartoffelsalat, mit Krabbensalat. Er hielt sich aber an das Würstchen von früher, mit gerösteteten Zwiebeln, Remoulade, Senf, Ketchup, nur die rohen Zwiebeln lehnte er ab. Dazu eine kleine Cola in der Glasflasche. Der Hot Dog schmeckte genau wie in alten Zeiten, und wie durch einen Schleier glaubte er zu sehen, dass sein Mädchen manchmal dorthin kam, um sich einen längst vergangenen Unwetterabend in Erinnerung zu rufen.
    Auf dem Weg nach draußen sah er die Rosen. Vielleicht sollte er sich ersatzweise damit begnügen, der Mann, der in einer sündhaft teuren Unterkunft um frische Blumen betrogen worden war. Die weißen Rosen sahen zwar am besten aus, erinnerten aber zu sehr an eine Beerdigung. Also kaufte er die gelben.
    Ein junger Mann mit bronzefarbenem Haar kam zur Tür herein, als er bezahlte. Derselbe, der in einem mit perfekten Mordwaffen gespickten Haus lebte und nicht imstande war, sich vor ihnen in Acht zu nehmen. Und was hatte er überhaupt in dieser Tankstelle zu suchen? Spionierte er einem Reisenden in einem Dior-Mantel nach?
    Der Reisende wollte sicherstellen, dass ihm niemand zu seinem Quartier folgte, und da gab es keine andere Möglichkeit, als ein Taxi zu bestellen. Und er musste in dieser absurden Situation, ein Taxi für eine Entfernung von ein paar Häuserlängen zu nehmen, irgendwelche plausiblen Erklärungen parat haben. Eine Fußbehinderung vielleicht?
    Der Mann hinter dem Tresen verstand kein Isländisch und bestellte
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