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Der große Schlaf

Der große Schlaf

Titel: Der große Schlaf
Autoren: Raymond Chandler
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sagte nichts. Ich ging auf die hohe, weiße Tür zu, durch die ich gekommen war. Als ich zurücksah, hatte sie ihre Lippen zwischen den Zähnen und biß drauf herum wie ein junger Hund auf den Teppichsaum.
    Ich ging hinaus, die fliesenbelegte Treppe zur Halle hinunter, und von irgendwoher tauchte der Butler auf, meinen Hut in der Hand.
    »Sie haben sich geirrt«, sagte ich. »Mrs. Regan wollte mich gar nicht sprechen.«
    Er neigte seinen silbernen Schöpf und sagte höflich: »Das tut mir leid, Sir. Ich mache viele Fehler.« Er schloß die Tür hinter meinem Rücken.
    Ich stand auf der Stufe, zog meinen Zigarettenrauch ein und sah hinab auf eine Flucht von Terrassen mit Blumenbeeten und getrimmten Bäumen bis hin zu dem hohen Eisenzaun mit den vergoldeten Speerspitzen, der das Grundstück einschloß. Eine Auffahrt, von niedrigen Mauern gesäumt, schwang sich hinab zum offenen Eisentor. Hinter dem Zaun fiel der Hügel noch über Meilen ab. Dort unten, ganz in der Ferne, konnte ich eben noch schwach ein paar von den alten hölzernen Bohrtürmen des Ölfelds erkennen, von dem sich die Sternwoods ihr Geld geholt hatten. Fast das ganze Feld war jetzt ein öffentlicher Park, den General Sternwood angelegt und der Stadt zum Geschenk gemacht hatte. Aber ein Eckchen mit etlichen Bohrlochgruppen war noch in Betrieb und förderte fünf, sechs Tonnen pro Tag. Die Sternwoods waren auf den Berg gezogen und schnupperten nichts mehr von dem fauligen Schachtwasser oder dem Öl, aber sie konnten noch immer aus ihren Fenstern gucken und den Quell ihres Reichtums sehen. Das heißt, wenn sie wollten. Ich glaube aber, sie wollten nicht.
    Ich ging von Terrasse zu Terrasse einen Ziegelweg hinunter, innen am Zaun entlang und zum Tor hinaus zu meinem Wagen, den ich unter einem Pfefferbaum an der Straße gelassen hatte.
    Donner grollte jetzt in den Vorbergen, und der Himmel über ihnen war purpurn-schwarz. Gleich würde es gießen. Dumpfig hing schon der Regen in der Luft. Ich schlug das Verdeck meines Kabrios hoch, ehe ich zur Stadt hinunterfuhr. Sie hatte wunderbare Beine. Das mußte man ihr lassen. Die beiden waren ein sauberes Pärchen, sie und ihr Vater. Anscheinend hatte er mich nur auf die Probe stellen wollen; der Job, den er mir da zugeschanzt hatte, verlangte einen Anwalt. Selbst wenn sich Mr. Arthur Gwynn Geiger, »Seltene Bücher und Luxusausgaben«, als Erpresser entpuppen sollte, blieb es immer noch ein Anwaltsjob. Es sei denn, es steckte mehr dahinter, als das bloße Auge erkennen konnte. Oberflächlich betrachtet sah es so aus, als könnte es ganz ulkig sein, das herauszufinden.
    Ich fuhr hinunter nach Hollywood zur öffentlichen Bibliothek und machte einen flüchtigen Streifzug durch ein verstaubtes Werk mit dem Titel ›Berühmte Erstausgaben‹.
    Nach einer halben Stunde hatte ich genug und ging essen.

4
    A. G. Geigers Geschäft war ein Laden zur Straßenfront auf der Nordseite des Boulevards nahe Las Palmas. Der Eingang in der Mitte führte durch eine tiefe Nische, und hinter den Fenstern mit Kupfergittern standen chinesische Wände, so daß ich nicht in den Laden blicken konnte. In den Fenstern lag massenhaft orientalischer Plunder herum. Natürlich konnte ich nicht wissen, ob er was taugte, denn Antiquitäten sammle ich nicht, außer unbezahlten Rechnungen. Die Eingangstür war aus Spiegelglas, aber auch durch sie war nicht viel zu erkennen, denn im Laden war es ziemlich schummrig. Nebenan war auf der einen Seite ein Hauptportal, und auf der anderen erstrahlte ein Juweliergeschäft, in dem es Kredit gab. Der Juwelier stand in seiner Ladentür, auf den Absätzen wippend und gelangweilt, ein großer, gutaussehender, weißhaariger Jude in engen, dunklen Sachen und mit zirka neun Karat an der rechten Hand.
    Ein schwaches, wissendes Lächeln kräuselte seine Lippen, als ich in Geigers Laden hineinging. Ich machte die Tür sachte hinter mir zu und spazierte über einen dicken blauen Teppich, der von einer Wand zur anderen reichte, mit blauen Ledersesseln darauf und Aschbecherständern daneben. Auf schmalen polierten Tischen waren zwischen Buchstützen ein paar Sortimente geprägter Lederbände zur Schau gestellt.
    Weitere Prägebände befanden sich in den Glasschränken an den Wänden. Hübsche Ware für den reichen Kunstfreund, der sie nach dem Meter kauft und seine Exlibris reinkleistern läßt.
    Hinten war eine gemaserte Holzwand mit einer geschlossenen Tür in der Mitte. In der Ecke zwischen dem Verschlag und der Wand saß
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