Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der große Gatsby (German Edition)

Der große Gatsby (German Edition)

Titel: Der große Gatsby (German Edition)
Autoren: F. Scott Fitzgerald
Vom Netzwerk:
Dafür bin ich zu arm.«
    »Aber wir haben es gehört«, wiederholte Daisy und öffnete sich zu meiner Überraschung erneut wie eine Blume. »Wir haben es von drei verschiedenen Leuten gehört, also muss es wahr sein.«
    Natürlich wusste ich, wovon sie sprachen, doch ich war nicht im entferntesten verlobt. Die Tatsache, dass die Klatschmäuler bereits das Aufgebot bestellt hatten, war einer der Gründe, weshalb ich an die Ostküste gezogen war. Man kann einer alten Freundin wegen derlei Gerede nicht den Laufpass geben, aber ich verspürte auch keine Neigung, mich in die Ehe hineintratschen zu lassen.
    Das Interesse der beiden rührte mich irgendwie und ließ sie weniger unerreichbar reich erscheinen – und doch war ich, als ich abfuhr, verwirrt und ein wenig verstimmt. Ich fand, Daisy hätte auf der Stelle mit dem Kind auf dem Arm das Haus verlassen sollen – doch offensichtlich hatte sie nichts dergleichen im Sinn. Was Tom betraf, so überraschte mich eigentlich weniger die Tatsache, dass er »eine Freundin in New York hatte«, als dass ein Buch ihn deprimieren konnte. Aus irgendeinem Grund knabberte er an den Rändern abgestandener Ideen, als gäbe sein robuster körperlicher Egoismus seinem gebieterischen Herzen keine Nahrung mehr.
    Es herrschte schon Hochsommer auf den Dächern der Raststätten und vor den Tankstellen am Straßenrand, wo neue rote Zapfsäulen inmitten von Lichtlachen standen, und als ich mein Grundstück in West Egg erreicht hatte, fuhr ich den Wagen in seinen Verschlag und setzte mich eine Weile auf eine Rasenwalze, die jemand im Garten hatte stehenlassen. Der Wind war abgeflaut und einer lauten, hellen Nacht gewichen, erfüllt vom Flügelschlagen in den Bäumen und einem anhaltenden Orgelton aus dem Blasebalg der Erde, der den Fröschen Leben einblies. Die Silhouette einer Katze huschte über das Mondlicht, und als ich den Kopf wandte, um ihr mit den Augen zu folgen, entdeckte ich, dass ich nicht allein war – kaum zwanzig Meter von mir entfernt war eine Gestalt aus dem Schatten der Nachbarvilla getreten und betrachtete, die Hände in den Hosentaschen, den silbernen Sternenpfeffer. Irgendetwas an seinen bedächtigen Bewegungen und die Art, wie er mit beiden Füßen sicher auf dem Rasen stand, legte die Vermutung nahe, dass dies Mr. Gatsby persönlich war, der einmal nachsehen wollte, welcher Teil des hiesigen Himmels der seine war.
    Ich beschloss, ihn anzusprechen. Miss Baker hatte beim Abendessen seinen Namen erwähnt, das sollte als Empfehlung genügen. Aber dann tat ich es doch nicht, denn er erweckte auf einmal den Eindruck, als bliebe er lieber allein – er streckte auf eine seltsame Weise die Arme zum dunklen Wasser aus, und selbst aus der Entfernung hätte ich schwören können, dass er zitterte. Unwillkürlich schaute ich zum Meer – und sah dort nichts als ein einzelnes grünes Licht, winzig klein und weit entfernt, das das Ende eines Stegs markieren mochte. Als ich noch einmal zu Gatsby blickte, war er verschwunden, und ich war wieder allein in der unruhigen Dunkelheit.

2
     
    Ungefähr auf halbem Weg zwischen West Egg und New York vereinigt sich die Autostraße jäh mit der Eisenbahntrasse und läuft etwa einen halben Kilometer neben ihr her, als schreckte sie vor einem gewissen gottverlassenen Stück Land zurück. Es ist ein Tal der Asche – eine absurde Farm, wo Asche wie Weizen zu Bergketten und Hügeln und grotesken Gärten anwächst, wo Asche die Gestalt von Häusern und Schornsteinen und Rauchsäulen annimmt und schließlich mit übernatürlicher Anstrengung sogar Menschen formt, die schemenhaft und schon zerbröselnd durch den Staub geistern. Von Zeit zu Zeit kriecht eine Reihe grauer Waggons über ein unsichtbares Gleis, kreischt gespenstisch und kommt zum Stehen, und augenblicklich schwärmen die aschgrauen Menschen mit bleiernen Spaten aus und wirbeln eine dichte Wolke auf, die ihr dunkles Treiben allen Blicken entzieht.
    Über dieser grauen Landschaft jedoch und den düsteren Staubschwaden, die unablässig darüber hinwegziehen, sieht man nach einer Weile die Augen von Doktor T. J. Eckleburg. Die Augen von Doktor T. J. Eckleburg sind blau und riesengroß – mit Augäpfeln von einem Meter Durchmesser. Sie schauen aus keinem Gesicht, sondern hinter einer gewaltigen gelben Brille hervor, die auf einer nicht vorhandenen Nase thront. Irgendein Witzbold von Augenarzt muss sie, um seine Praxis im Stadtteil Queens zum Florieren zu bringen, dort hingesetzt haben und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher