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Der Grenzgänger

Der Grenzgänger

Titel: Der Grenzgänger
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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in der Kasse abgezählt hatte.
    Man könne auch nicht jeden Kunden kennen, räumte Böhnke lächelnd ein, bei den vielen Filialen, die Schranz habe. „Wie viele sind’s eigentlich?“
    „Dreizehn“, antwortete Schranz mit sichtlichem Stolz, „und in knapp zwei Wochen eröffnen wir in Langerwehe bei Düren die nächste.“ Er deutete souverän um sich. „Alle sehen so aus wie diese hier. Hier ist mein Zuhause.“
    „Wie schaffen Sie das?“, fragte ich bewundernd. „Das steckt doch eine Menge Verwaltungskram hinter. Buchführung, Personaleinstellung und so weiter.“
    „Mach alles ich.“ Schranz war erstaunlich redselig. „Ich habe von meinen Eltern das Metzgergeschäft gelernt und mir mein betriebswirtschaftliches Rüstzeug auf der Universität geholt. Ich mache alles oder zumindest vieles selbst.“
    „Vom Schlachten über den Verkauf bis zum Finanzamt?“ Ich gab mich begeistert.
    So sei es, bestätigte Schranz stolz. „Ich mache alles, da habe ich wenigstens auch alles unter Kontrolle. Ohne den Chef läuft bei mir nichts.“ Er sei ein Arbeitstier, der mit vier Stunden Schlaf am Tag auskomme und quasi rund um die Uhr arbeite, beschrieb Schranz sich.
    Böhnke hatte Schranz kauend zugehört und dabei ständig genickt. Er schluckte und zeigte auf ein eingeschweißtes Stück Rindfleisch. „Deutsch?“
    „Bei mir bekommen Sie nur deutsche Produkte“, antwortete Schranz, „in meinem Betrieb geschlachtet und verpackt.“
    „Kann ich das Fleisch mitnehmen als Sonntagsbraten?“ Böhnke zückte das Portmonee. „Lange kein Rindfleisch mehr gegessen.“
     
     
    Bereitwillig steckte Schranz das verpackte Fleisch in eine Tragetasche, die er über die Theke reichte, und nahm von Böhnke den Geldschein entgegen. „Es wird Ihnen bestimmt schmecken. Wenn nicht, kommen Sie zu mir zurück und Sie erhalten Ersatz.“ Diese Garantie würde niemand außer ihm geben. „Ich möchte nur zufriedene Kunden.“
    „Dann haben Sie vielleicht bald einen mehr“, sagte Böhnke zum Abschied und schob mich hinaus auf die Straße.
     
     
    „Was halten Sie von ihm?“, fragte der Kommissar mich auf der Rückfahrt.
    „Ein Strahlemann, ein gewiefter Kaufmann, ein Glückskind? Was weiß ich?“, antwortete ich. Der Mann beeindruckte durch sein selbstsicheres Auftreten. „Der lässt sich nicht so schnell überrumpeln. Ich glaube nicht, dass der so leicht in ein Fettnäpfchen tritt.“
    Böhnke lächelte grimmig. „Hat er aber eben getan.“
    Ich war erstaunt: „Wieso?“
    „Haben Sie nicht bemerkt, dass er uns belogen hat?“
    Ich schwieg und sah nachdenklich aus dem Seitenfenster. „Bei Ihnen wirkt wohl schon das BSE“, hänselte mich Böhnke. „Oder haben Sie schon wieder vergessen, dass Fleischmann und Schranz einmal die besten Freunde waren. Sie haben es mir doch selbst erzählt.“
    „Ja und?“ Was nützte uns dieses Wissen, wenn Schranz die angebliche Freundschaft aus Studentenzeiten verleugnete und wir sie nicht beweisen konnten. Es sei denn, Fleischmann würde uns den Beweis liefern.
    Aber lebte Fleischmann überhaupt noch? War er tot oder lebendig?
    Oder hatte uns wieder jemand auf eine falsche Fährte locken wollen?

Zähes Leder
     
     
     
    Eine hektische, beunruhigende Betriebsamkeit empfing Böhnke und mich, als wir wieder im Luisenhospital ankamen. Schon der unbesetzte Streifenwagen der Polizei vor dem Hauptportal, auf dem sich überflüssigerweise das blaue Alarmlicht drehte, verhieß nichts Erfreuliches. Die verkniffenen Mienen der Polizisten im Eingang verstärkten den negativen Eindruck. Der knappe Bericht, den sie Böhnke bereitwillig gaben, machte mir Angst. Jemand sei unbemerkt, wahrscheinlich als Arzt oder Pfleger getarnt, in die Intensivstation eingedrungen und habe dort die Apparaturen am Krankenbett einer jungen Frau abgeschaltet, berichteten sie.
    Ich hörte nicht länger zu, sondern hastete hinauf auf die Station. Meine Befürchtungen, jemand habe es auf die wehrlose Renate Leder abgesehen, trafen zu. Durch die offenen Türen, vorbei an zwei verdutzten Polizisten, die mich nicht aufhalten konnten, schob ich mich in das Krankenzimmer, in dem mehrere Schwestern und Ärzte aufgeregt an den medizinischen Apparaturen hantierten.
    Wie ein kümmerliches Häufchen Elend lag die zierliche, blasse Frau bewegungslos in ihrem Bett. Renates Gesicht war von einer Atemmaske verdeckt. Ihre dünnen Arme waren durch mehrere Schläuche mit Infusionsflaschen verbunden. Erschöpft rieb sich ein junger Arzt
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