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Der Grenzgänger

Der Grenzgänger

Titel: Der Grenzgänger
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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durchs Gesicht und schüttelte verständnislos den Kopf. „Ob sie jetzt noch durchkommt, wage ich zu bezweifeln“, sagte er mehr zu sich als zu den anderen in den Raum hinein. Enttäuscht ging er auf den Flur, auf dem ihm Böhnke entgegenkam.
    Ich folgte den beiden in ein Arztzimmer, in dem Böhnke und ich nach der gegenseitigen Vorstellung vor einem Schreibtisch Platz nahmen.
    „Was ist passiert?“, fragte Böhnke den Arzt, während er mich streng ansah. Ich kannte diesen Blick schon zur Genüge. ,Halte die Klappe, hier stelle nur ich die Fragen!’, sollte er mir sagen.
     
     
    Der Mediziner sah angespannt und ausgemergelt aus. Er hatte sich auf die Ellbogen gestützt und die Hände gefaltet. „Da gibt es nicht viel zu sagen. Die Schwestern haben im Überwachungsraum bemerkt, dass die Apparaturen am Bett der Patientin Leder nicht mehr einwandfrei arbeiteten. Die Alarmsignale und der fehlende Ausschlag auf den Monitoren deuteten darauf hin, dass etwas geschehen war. Normalerweise kündigen die Merkmale einen eingetretenen oder unmittelbar bevorstehenden Exitus an.“ Der Arzt fuhr sich mit den Händen fahrig durchs Haar. „Bei der sofortigen Kontrolle sahen sie dann, dass jemand an den Geräten manipuliert hatte. Den Rest haben Sie mitbekommen. Wir haben die Patientin wieder angeschlossen und mit zusätzlichen Medikamenten versorgt und können jetzt nur noch beten. Ich hoffe, dass Frau Doktor Leder zäh ist.“
    „Zwei Fragen“, bat Böhnke übertrieben höflich. „Wieso kann jemand unbemerkt in das Zimmer gelangen? Wurde jemand gesehen?“
    „Ich weiß nicht, wie der Mann oder die Frau hineingekommen ist. Er oder sie hat sich hineingeschlichen und ist später unerkannt abgehauen. Wir haben das Zimmer nicht länger mit einem Wachposten versehen können, nachdem die Polizei abgezogen ist.“ Der Arzt sah Böhnke vorwurfsvoll an, als hätte die Polizei ein Mitverschulden, weil sie das Zimmer nicht mehr überwacht hatte. „Im Zimmer selbst war der Täter ungestört. Es gibt keine optische Kontrolle jedes einzelnen Raums, sondern nur die Überwachung der computergesteuerten Apparate in einem Zentralraum. Dort laufen alle Informationen aus allen Zimmern zusammen. Die moderne Technik ist effizienter als die menschliche Arbeitsleistung und spart außerdem Personal. Das nennt man Kostensenkung im Gesundheitswesen.“
    „Also gibt es keine Anhaltspunkte auf einen möglichen Täter?“, wollte Böhnke wissen.
    Der Arzt erhob sich schwerfällig und gab die erwartete Antwort. „Es gibt nichts. In unserem Haus laufen so viele Patienten, Besucher und medizinisches Personal herum, da kann nicht jeder jeden kennen und nicht jeder jeden kontrollieren.“ Er reichte uns resignierend die Hand zum Abschied. „Es ist schade, dass anscheinend nichts mehr ohne Vertrauen geht. Irgendwann geht die Welt am Missbrauch des Vertrauens zugrunde.“
     
     
    Mit diesem Wort zum Tage eilte ich in mein Zimmer. Ich hatte keine Lust mehr, eine Sekunde länger im Krankenhaus zu bleiben. Ich hätte viel zu tun, sagte ich zu Böhnke, während ich meine wenigen Klamotten in einer Sporttasche verstaute. „Was denn?“, fragte er.
    „Ich möchte gerne noch einmal in Fleischmanns Wohnung und anschließend in die meiner Mandantin“, sagte ich ihm. „Und ich gehe fest davon aus, dass Sie mir die Möglichkeit dazu verschaffen.“ Ich grinste Böhnke an, der zurückgrinste. „Kein Problem, mein Freund, aber nur unter einer Bedingung: Sie bekommen Geleitschutz durch die Schutzpolizei.“
    „Gerne.“ Ein Aufpasser im Nacken konnte mir unter den gegebenen Umständen nur recht sein. Er erhöhte meine Überlebenschance nicht unerheblich. „Vielleicht stehe ich ja immer noch auf der Abschussliste irgendeines Idioten.“
     
     
    Schleunigst verließ ich das Krankenzimmer und ging zu Böhnkes Wagen, ohne mich auf der Station abzumelden.
    „Wohin?“, fragte mich der Kommissar, während er den Zündschlüssel drehte.
    „Zur Stephanstraße“, gab ich zur Antwort, „und anschließend zur Paugasse.“ Ich freute mich, dass der Kommissar nicht widersprach. Im Gegenteil, über Funk beorderte er einen Streifenwagen zu Fleischmanns Wohnung und bat darum, die Schlüssel zu beiden Wohnungen mitzubringen.
    Schon nach wenigen Minuten standen wir vor dem Mietshaus und warteten auf die Schutzpolizisten. „Was machen Sie, während ich mich amüsiere?“, fragte ich. „Ich“, Böhnke lehnte sich lässig gegen seinen Dienstwagen, „ich habe auf meinem
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