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Der Graf von Castelfino

Der Graf von Castelfino

Titel: Der Graf von Castelfino
Autoren: CHRISTINA HOLLIS
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satt war, und nicht, weil es nicht schmeckte. Seit Jahren hatte er sich nicht mehr so gut gefühlt.
    Doch bald holte die Wirklichkeit ihn wieder ein. Sein Vater war tot. Die Verantwortung für Hunderte von Hektar Land und die Zukunft von Tausenden Angestellten weltweit lag jetzt in seiner Hand in seiner Funktion als der neue Conte di Castelfino. Nun konnte er wie geplant expandieren.
    Er trat auf den Balkon vor seinem privaten Speisezimmer. Von hier aus hatte er den besten Blick über das Anwesen. Das gesamte Land vor ihm, so weit sein Auge bis zu den umgebenden Hügeln reichte, unterlag nunmehr seiner Verantwortung. Bis vor wenigen Tagen hatte sich das Weingut lediglich über hundert Hektar erstreckt. Das würde sich jetzt ändern. Giannis Blick war fest in die Zukunft gerichtet. Die nächtlichen Exzesse waren vorüber. Von nun an würde er jede wache Minute der Optimierung des Weingeschäfts widmen.
    Das würde ihn auch davon abhalten, ständig an jenen Aspekt aristokratischen Lebens denken zu müssen, der wie eine düstere Wolke über ihm schwebte. Er hatte nicht die Absicht, der Letzte zu sein, der den Namen der Bellinis und den Titel trug – aber ebenso wenig wollte er miterleben, wie ein kleines Kind das Schicksal erleiden musste, in der Familie der Bellinis aufzuwachsen. Die Erinnerung an seine eigene Kindheit hatte bei ihm einen üblen Nachgeschmack hinterlassen.
    Er setzte sich und genoss die Aussicht. Bisher hatte er das Anwesen noch gar nicht richtig angeschaut. Nun aber, da er jeden Weinstock, jeden Olivenbaum und jede Zypresse sein Eigen nannte, sah er es mit anderen Augen. Ein gutes Gefühl.
    Und dann kam Megan Imsey in sein Blickfeld. Sie schob einen Schubkarren voller Werkzeug vor sich her. Ein breitrandiger Strohhut beschattete ihr Gesicht. Wie unschwer zu erkennen war, gefiel ihr die Arbeit in der Sonne. Megan musste wohl auf dem Weg zum eingefriedeten Garten sein, dem letzten Projekt seines Vaters. Irgendwelche Luxus-Treibhäuser, die einen Haufen Geld verschlangen.
    Sein Blick wurde kritisch. Was hatte sie dort zu suchen, wo er ihr doch seine Meinung über das Projekt bereits dargelegt hatte? Und wer war schon so dumm, zu arbeiten, wenn er keinen Auftrag dazu hatte?
    Dies könnte die perfekte Gelegenheit sein, es herauszufinden. Es war ein wunderschöner Tag, vielleicht sogar sein Glückstag …
    Wie eine zweite Haut hüllte die Wärme der toskanischen Sonne Meg ein. Obwohl bereits Herbst, wärmten die Strahlen immer noch. Sie trug eine langärmelige weiße Bluse, Strohhut und Sonnenbrille. In flottem Schritttempo schob sie den Schubkarren vor sich her. Ihren Beruf hatte sie schon immer gemocht, doch auf Castelfino gab es etwas, was einzigartig war.
    Vor hundert Jahren hatte einer der Vorfahren des jetzigen Conte für seine adelige junge Frau, eine Engländerin, einen eingefriedeten Kräutergarten anpflanzen lassen, um ihr Heimweh zu lindern. Lange Jahre war dieser Garten unberührt geblieben, bis Giannis Vater eine ganze Reihe hochmoderner Treib- und Gewächshäuser errichtet hatte. Der neue Komplex war fast vollendet, doch an diesem sonnigen Morgen war Meg mehr an dem unfertigen Teil des Gartens interessiert.
    Mit einem Lächeln voller Vorfreude entriegelte sie die Gartenpforte und ging hinein.
    Sie verharrte einen Augenblick und erfreute sich an dem, was sie bisher geschaffen hatte. Monatelang hatte sie den Garten auf ihren Reisen in die Toskana geplant und die Fertigstellung überwacht. Ein Glaspalast bildete die Hauptattraktion dieses verwunschenen Stücks Erde. Hier und da musste noch ein wenig Kosmetik betrieben werden, aber im Wesentlichen war das Werk vollendet.
    Heute Morgen war das Dach geöffnet, um jede noch so kleine Brise einzufangen. Das Objekt sah aus wie eine stattliche Galeone unter vollen Segeln. Erfüllt vom Anblick der Früchte ihrer Arbeit, konnte Meg sich nicht vorstellen, dass Gianni dies alles nicht mehr weiterführen wollte.
    Mit einem Anflug von Angst fragte sie sich, ob sie ihn würde überreden müssen, sie weiterzubeschäftigen. Ihr graute bei dem Gedanken, dass die wunderschönen Treibhäuser niedergerissen wurden. Ihr Erfolg hatte ihr finanziellen Auftrieb gegeben und sie obendrein in die Lage versetzt, das Geschäft ihrer Eltern vor dem Bankrott zu bewahren.
    Hoffentlich kommen sie während meiner Abwesenheit damit zurecht, dachte Meg besorgt. Das Castelfino-Projekt durfte sich einfach nicht zerschlagen, sonst wären alle mühsam erkämpften Fortschritte
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