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Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Titel: Der Gottbettler: Roman (German Edition)
Autoren: Michael Marcus Thurner
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hatten sich weit an den Waldrand im Osten zurückgezogen und beobachteten das Geschehen mit hasserfüllten Blicken.
    Herr Attamay sah sie. Die Sibyllen. Und im selben Augenblick schwand der letzte Gedanke an ein Wunder, an eine Errettung. Er gab Herrn Rudynar Pole einen Wink und deutete in Richtung dieser grässlichen Wesen. Seine Hand zitterte. Die Wunde an der linken Schulter begann noch mehr zu schmerzen.
    »Ich habe sie schon bemerkt«, sagte der Freund. Er lachte kurz. »Wusstest du, dass ich mit einer von ihnen etwas hatte? Damals, in den alten Zeiten?«
    Mit einer Sibylle? Unmöglich!
    »Sie war der Grund, warum ich dir hierhergefolgt bin. Ist es nicht Ironie des Schicksals, dass sie mich nun finden? Womöglich befindet sich mein Liebchen gar unter ihnen.«
    »Das ist das Heer des Gottbettlers«, sagte Herr Attamay, »unter der Führung von Metcairn Nife. Ich hätte nicht gedacht, dass er sich jemals bis hierher vorwagen würde.«
    »Du liegst ein klein wenig falsch, Freund. Es handelt sich bloß um einen Teilverband. Metcairns Adjutanten, diese degenerierten Speichellecker, sind weit und breit nicht zu sehen. Ich vermute, dass sein Linker diese Truppen anführt.«
    Der oder die Linke … Die Frau namens Pae Loriander hatte einen kometenhaften Aufstieg erlebt seit damals, als sie beide aus dem Dienst ausgeschieden und hierhergezogen waren, müde und erschöpft vom Kriegshandwerk.
    »Hast du sie jemals das Schwert schwingen sehen, Herr Rudynar Pole?«
    »Aus weiter Ferne.« Der Freund fuhr mit den Fingerspitzen die schartig gewordene Klinge seiner Waffe entlang. »Sie wirkte ungestüm. Unbeherrscht. Aber auch von einer Hingabe beseelt, die sie ihren Gegnern überlegen machte.«
    »Wir werden sie töten müssen, wollen wir eine Chance haben.«
    »Ja, wir werden sie töten müssen.«
    Beide machten sie sich etwas vor, und sie wussten es. Niemals würden sie an die gewiss gut geschützte Heeresführerin herankommen, und schon gar nicht würden sie die Linke besiegen können. Nicht unter diesen Bedingungen, geschwächt von Scharmützeln, verwundet, müde, mit zaghaftem Herzen.
    »Und? Wie ist der Plan?«, fragte Herr Rudynar Pole.
    »Das fragst ausgerechnet du?« Herr Attamay schüttelte den Kopf. »Wir kämpfen, bis uns die Kräfte verlassen. Und dann sterben wir.«
    Er schloss die Augen und rieb sich übers Gesicht. In Amstade hatte er Liebe kennengelernt. Er hatte sich ein Weib genommen, das ihm Halt gegeben hatte und nach einer heftigen Liebesnacht nicht gleich wieder auf Nimmerwiedersehen verschwunden war. Deirdrae hatte ihm vier Kinder geschenkt, und nach jeder Geburt war sie ihm schöner erschienen als davor. Alef, Barthe, Cymrir und Dy. Vier Knaben. Allesamt großartige Jungen, sah man von den Eigenbröteleien und der Schweigsamkeit des Jüngsten ab.
    Vielleicht würden sie eines Tages die Gelegenheit erhalten, ihn zu rächen …
    Warum kam der Angriff nicht? Warum gewährte man ihnen ausreichend Zeit, die Palisaden zu erreichen? Was für eine perverse Art von Lust empfand die Linke, wenn sie den Blutzoll in den eigenen Reihen erhöhte?
    »Sie hat etwas vor«, murmelte Herr Rudynar Pole, als hätte er Herrn Attamays Gedanken erraten.
    »Und was, bitte schön?«
    »Ich weiß es nicht. Aber es riecht nach einer verdammten Schweinerei.«
    Drei Nachzügler, allesamt schwer verletzt, humpelten an ihnen vorbei und schafften es im letzten Augenblick, durch das Palisadentor zu schlüpfen. Herr Attamay und sein Freund standen noch da, aufrecht und Selbstvertrauen vorgaukelnd. Um den Schein zu wahren. Um dem Feind das Bild ungebrochener Wehrhaftigkeit zu vermitteln.
    Herr Rudynar Pole spie aus. Auf den Leib eines Gegners, dessen Kadaver seltsam verdreht dalag. Er wollte sich eben durch den Torspalt zwängen, als er stutzte und Richtung Osten starrte. »Sie kommt«, sagte er.
    Herr Attamay kniff die Augen zusammen. Er bemerkte Unruhe zwischen den Reitern. Eine kleine Gasse bildete sich, als ein Wesen auf einem Schimmel den Abhang herabgaloppiert kam. Noch konnte er nichts ausmachen, konnte nicht sagen, ob es sich bei diesem Jemand um Frau, Mann oder den Angehörigen einer nichtmenschlichen Spezies handelte.
    »Deine Augenkraft hat niemals nachgelassen«, sagte er zum Freund.
    »Mag sein. Aber ich wäre froh, müsste ich nicht sehen, was ich sehe.«
    »Sie trägt ein weißes Tuch vor sich. Richtig?«
    »Richtig. Es ist allerdings blutverschmiert.«
    »Wir warten. Lass uns hören, was die Linke zu sagen hat.«
    Es gab
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