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Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass
Autoren: Philip Pullman
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daß er imstande wäre, Grumman so zuzurichten. Dabei kann er, wenn man ihm aus irgendeinem Grunde schmeichelt, auch ganz anders sein.«
    »Und Sie wissen natürlich, wie man das macht, Trelawney, nicht?« sagte der Dekan spöttisch.
    »Ich weiß es tatsächlich. Wissen Sie, was er sich am meisten wünscht? Noch mehr als einen akademischen Ehrengrad? Einen Dæmon! Verhelfen Sie ihm zu einem Dæmon, und er wird alles für Sie tun.«
    Die Wissenschaftler lachten herzhaft.
    Lyra hörte verwirrt zu. Was der Professor sagte, ergab für sie überhaupt keinen Sinn. Außerdem wollte sie lieber mehr über das Skalpieren, das Nordlicht und den geheimnisvollen Staub wissen. Zu ihrer Enttäuschung war Lord Asriel mit seinen Bildern und anderen Mitbringseln fertig, und aus dem Gespräch wurde bald ein Streit der Wissenschaftler untereinander, ob sie Lord Asriel Geld für eine neue Expedition geben sollten oder nicht. Die Argumente gingen hin und her, und Lyra merkte, wie ihr die Augen zufielen. Bald schlief sie fest, um den Hals Pantalaimon in Gestalt eines Hermelins, die er zum Schlafen bevorzugte.
     
     
    Lyra fuhr hoch, als jemand sie an der Schulter schüttelte. »Pst! Kein Laut«, sagte ihr Onkel. Die Schranktür war offen,  und er stand gebückt im Gegenlicht vor ihr. »Sie sind alle weg,  aber ein paar Diener sind noch auf den Beinen. Geh jetzt in dein  Schlafzimmer, aber erzähle niemandem von heute abend.« »Haben sie dir das Geld gegeben?« fragte sie schläfrig. »Ja.«
    »Was ist dieser Staub?« Das Aufstehen nach so langer Zeit  beengt im Schrank bereitete ihr Schwierigkeiten.
    »Das geht dich nichts an.«
    »Das geht mich sehr wohl etwas an«, sagte sie. »Wenn ich im  Schrank für dich spionieren soll, mußt du mir auch sagen,  wofür ich spioniere. Kann ich den Kopf sehen?«
    Pantalaimons weißes Hermelinfell sträubte sich; Lyra spürte,  wie es sie am Hals kitzelte. Lord Asriel lachte kurz.
    »Sei nicht aufsässig«, sagte er und begann, die Lichtbilder und die Kiste zusammenzupacken. »Hast du den Rektor beobach tet?«
    »Ja. Er hat zuerst nach dem Wein gesehen.«
    »Gut. Aber diesmal habe ich ihm einen Strich durch die  Rechnung gemacht. Jetzt tu, was ich dir sage, und geh ins Bett.« »Aber wohin gehst du?«
    »Wieder in den Norden. Ich fahre in zehn Minuten.« »Kann ich mitkommen?«
    Er hielt beim Packen inne und sah sie an, als sehe er sie zum  ersten Mal. Auch sein Dæmon sah sie mit großen, grünen Leopardenaugen an, und von beiden so angestarrt, wurde Lyra rot.
    Aber sie starrte grimmig zurück.
    »Dein Platz ist hier«, sagte ihr Onkel schließlich.
    »Aber warum? Warum ist mein Platz hier? Warum kann ich  nicht mit dir in den Norden kommen? Ich will das Nordlicht  sehen und Bären und Eisberge und alles. Ich will wissen, was  Staub ist. Und diese Stadt in der Luft. Ist das eine andere Welt?« »Du kommst nicht mit, Kind. Schlag dir das aus dem Kopf,  die Zeiten sind zu gefährlich. Tu, was dir gesagt wird, und geh  ins Bett, und wenn du brav bist, bringe ich dir einen Walroß  zahn mit einer Eskimoschnitzerei mit. Widersprich mir nicht,  sonst werde ich sehr ärgerlich.«
    Sein Dæmon ließ ein tiefes, wildes Knurren ertönen, und  Lyra stellte sich plötzlich vor, wie die Zähne der Leopardin sich  in ihren Hals gruben.
    Sie preßte die Lippen aufeinander und starrte ihren Onkel  finster an. Er pumpte die Luft aus dem Vakuumbehälter und  beachtete sie nicht; es war, als hätte er sie bereits vergessen.  Wortlos, aber mit dünnen Lippen und zusammengekniffenen  Augen, ging das Mädchen in Begleitung seines Dæmons aus  dem Zimmer.
     
     
    Der Rektor und der Bibliothekar waren alte Freunde und Verbündete, und nach schwierigen Gesprächen pflegten sie zusammen ein Glas Branntwein zu trinken und einander Mut zuzusprechen. Nachdem sie nun Lord Asriel verabschiedet hatten, schlenderten sie zur Wohnung des Rektors und machten es sich in seinem Arbeitszimmer bequem. Sie zogen die Vorhänge zu und legten Holz für das Feuer nach, und ihre Dæmonen setzten sich auf ihre angestammten Plätze auf dem Knie und der
    Schulter. Dann sprachen sie über das, was geschehen war. »Glaubst du wirklich, er wußte von dem Wein?« fragte der  Bibliothekar.
    »Ganz sicher. Ich habe zwar keine Ahnung woher, aber er  wußte davon und hat die Karaffe selbst umgekippt. Ganz sicher  wußte er davon.«
    »Tut mir leid, Rektor, aber ich bin froh darüber. Ich war nie  glücklich über die
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