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Der goldene Kelch

Der goldene Kelch

Titel: Der goldene Kelch
Autoren: Eloise Jarvis McGraw
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Qanefer.“
    „Dann komm mit, Ranofer!“ Der Zwerg grinste und blies wichtigtuerisch seine Backen auf. „Ich habe Order, mich um dich zu kümmern.“
    Ein paar Stunden später stand Ranofer auf dem Balkon des Palastes und sah zu, wie die Sonne unterging und ein langer Tag sich seinem Ende zuneigte. Der schwellende Nil war wieder mit Fährbooten gesprenkelt, die die müden Festbesucher zurück zur Totenstadt brachten. Ranofer beneidete sie nicht mehr um das Fest. Er hatte auch gefeiert, bei gebratener Gans und Honigkuchen, er hatte in einem prunkvollen Zimmer auf daunengefüllten Kissen geruht, und der beste Arzt Ägyptens hatte seine zerschundenen Beine verbunden. Nun stand er da, frisch gebadet und nach wohlriechenden Ölen duftend in einem neuen Schendjti aus feinem Leinen und einem blütenweißen Kopftuch, und wartete, wie ihm geheißen, auf seinen Empfang bei der Königin. Der Himmel stand in Flammen, als sich die Tür hinter ihm öffnete und Qanefer ihm gebieterisch zunickte. An diesem Abend trug der kleine Mann goldene Ohrringe, die noch größer waren als die silbernen. Mit erhobenem Haupt und geschwellter Brust stolzierte er auf ihn zu. „Die Diebe sind gefasst“, verkündete er. „Man hat sie im Schacht hinter dem Spalt gefunden, wie du gesagt hattest. Die Grabschätze wurden wieder ins Haus der Ewigkeit zurückgetragen, alles wurde wieder in Ordnung gebracht. Heute haben wir Ägypten einen großen Dienst erwiesen – ich und du, mein kleiner Held. Wenn ich, Qanefer von Abydos, dich nicht angehört hätte, wäre alles anders gekommen, nicht wahr?“
    „Ja, natürlich, Herr! Ich danke Euch, dass Ihr mich angehört habt. Auch die Große Königin wird Euch dankbar sein.“
    „Die Große Königin hat mir schon ihren Dank ausgesprochen“, sagte der Zwerg mit einem breiten Grinsen und tippte auf die großen Ohrringe. „Nun will sie dir danken. Komm!“
    Ranofer folgte ihm durch prächtige Gänge. Er fragte sich, was Heqet wohl sagen würde, wenn er ihn nun sehen könnte. – Heqet! Der Alte! Er packte Qanefer am Arm. „Was ist mit meinen Freunden, Herr, die ich als Wachen am Grab gelassen habe? Sind sie in Sicherheit? Diese Schurken haben ihnen doch nichts angetan!“ Qanefer sah ihn ausdruckslos an. „Das weiß ich nicht. Ich war ja schließlich nicht im Tal der Könige. Ich weiß nichts von deinen Freunden.“
    „Würdet Ihr bitte die Große Königin fragen? Würdet Ihr für mich sprechen? Euch wird Sie anhören.“
    „Vor der Großen Königin spricht man nur, wenn man aufgefordert wird“, erklärte Qanefer frostig. „Los, komm, weiter! Der Graf wartet.“
    „Und der Kelch? Haben die Männer des Grafen – “
    „Los, los! Mach schon!“
    Ranofer hastete dem Zwerg nach, aber er schäumte fast über vor Fragen, als er den prunkvollen Saal betrat, wo die Königin ihn erwartete.
    Sie forderte ihn auf, sich von den Knien zu erheben und vorzutreten. Der ältere Herr mit dem prächtigen Halskragen stand zu ihrer Rechten, Graf Djobek zu ihrer Linken. Die Königin schenkte Ranofer ein strahlendes Lächeln, an ihrem Hals funkelte Djaus Bienen-Kette; vor ihr stand auf einem niedrigen Tisch der goldene Kelch. Seine Schönheit machte den ganzen Raum strahlen.
    Ranofer entfuhr ein Seufzer der Freude und Erleichterung. Er hob den Kopf und strahlte noch mehr als die Königin.
    „Er ist da! Er ist in Sicherheit!“
    „Ja, er ist da, er ist in Sicherheit – dank meines neuen Ersten der Großen Verwalter des Schatzes.“ Die Königin blickte Graf Djobek an, der sich elegant verbeugte. „Morgen wird er ins Haus der Ewigkeit meiner Vorfahren zurückgebracht.“
    „Meine Freunde – was ist mit ihnen?“, stammelte Ranofer. Unaufgefordert sprach er weiter: „Große Königin, sind meine Freunde in Sicherheit?“ Die Königin sah ihn fragend an. „Deine Freunde?“
    „Ja, ein Junge und ein alter Mann. Sie haben mich im Tal der Könige gesucht, und ich habe sie als Wachen am Grab zurückgelassen. Oh, hoffentlich ist ihnen nichts zugestoßen. Ich – “
    Er brach ab. Die Königin hatte sich an den älteren Herrn gewandt, der sich wiederum an einen Höfling wandte, der daraufhin rasch durch den Saal schritt, die Tür zu einem Vorzimmer öffnete und verschwand. Gleich darauf eilte der Höfling wieder zurück, murmelte dem älteren Herrn etwas zu, und dieser wandte sich wieder an die Königin.
    „Große Königin, der Hauptmann der Wachen meldet, dass er beim Grab einen Jungen und einen alten Mann gesehen hat,
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