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Der goldene Esel

Titel: Der goldene Esel
Autoren: Lucius Apuleius
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unterstehen darf, da ich nicht die Ehre habe, sie zu kennen,« antwortete ich und blieb stehen, indem ich errötend die Augen niederschlug.
    Die Dame lenkte ihre Blicke auf mich und sagte: »In der Tat, das ist der Sohn der vortrefflichen Salvia! Sie leibt und lebt in ihm. Ist doch sein ganzer Körper in unaussprechlichem Ebenmaß gebildet! Just die rechte Größe, die rechte Stärke! Welch eine sanftgemischte Gesichtsfarbe! Welch natürlich gelocktes blondes Haar! Die blauen Augen, wie voller Leben, voller Feuer, gleich den Augen des Adlers! Wie schön in allem Betrachte! Wie edel, wie ungezwungen sein ganzes Wesen! Ich freue mich, Sie wiederzusehen, mein lieber Lucius,« redete sie mich endlich an, indem sie auf mich zukam. »Oft genug habe ich Sie sonst auf meinen Armen getragen; denn Sie sehen in mir eine Blutsverwandte Ihrer Mutter, die mit mir zusammen auferzogen worden ist. Wir stammen beide von Plutarchs Geschlecht ab und sind dazu Milchschwestern. In geschwisterlicher Eintracht und Gleichheit sind wir miteinander aufgewachsen, und nur unsere Verehelichung hat einen Unterschied zwischen uns gemacht; indem sie einen sehr vornehmen, ich aber einen Privatmann geheiratet. Ich bin die Byrrhenna, deren Namen Sie vielleicht oft von Ihren Erziehern gehört haben. Sie sind mir höchst willkommen, lieber Lucius, und Sie dürfen das Gastrecht nirgends anders als bei mir nehmen!«
    Da sich während ihrer Rede meine Röte und Verlegenheit wieder verloren hatten, so antwortete ich:
    »Für diesmal muß ich es sehr verbitten, liebe Tante! Ich würde sonst meinen Wirt Milo beleidigen, der mich sehr höflich bei sich aufgenommen hat. Indessen, so oft ich künftig wieder hierher reise, soll mir gewiß nichts angelegener sein, als dieser Gastfreundschaft unbeschadet Ihren Befehlen zu gehorchen und bei Ihnen abzutreten.«
    Unter diesen und anderen gegenseitigen Komplimenten gelangten wir zu Byrrhennens Wohnung, die nur wenige Schritte entfernt war. Ich wurde in einen überaus schönen Saal geführt.
    In jeder der vier Ecken desselben stand eine Säule mit einer Victorie. Die Flügel ausgebreitet, den einen ihrer rosigen Füße zum eilenden Schritt vorgeworfen und mit der Spitze des andern eine rollende Kugel kaum noch berührend, schien die Göttin jetzt emporzufliegen.
    Mitten im Saale prangte eine Diana aus parischem Marmor. Man kann nichts Herrlicheres sehen! In vollem Laufe, das Gewand flatternd im Winde, fällt sie gleich beim Hereintreten ins Auge und jagt durch überirdische Majestät Ehrfurcht und Schrecken ein. Hunde, aus demselbigen Steine gebildet, sitzen zu ihren Seiten. Drohend blicken sie um sich, recken die Ohren, halten die erweiterten Nasenlöcher in die Höhe, schnuffeln und schnaufen, und erschallt irgend aus der Nachbarschaft ein Gebell, so glaubt man getäuscht, es aus ihren Marmorrachen zu hören. Worin sich aber der vortreffliche Bildner am meisten hervorgetan, ist in der Stellung dieser Tiere. Gleichsam in völligem Sprunge schweben Brust und Vorderläufe in der Luft, die Hinterfüße stehen auf.
    Hinter dem Rücken der Göttin steigt ein Fels empor und wölbt sich eine Grotte, allenthalben mit Moos, Kräutern und Blättern, Stauden, Reben und blühenden Gesträuchen, wiewohl auch nur von Stein, verwachsen und bis in das Innerste von dem Abglanze der marmornen Bildsäule erleuchtet. Um den Eingang der Grotte ziehen sich verwebte Ranken mit Früchten und meisterlichst gearbeiteten Weintrauben, in denen die Kunst so mit der Natur gewetteifert, daß sie der Wahrheit gleich sind. Hauchte der mostreiche Herbst die Farbe der Reife über sie, man würde lüstern die Hände nach ihren Beeren ausstrecken. Und neigt man über die Quelle sich hin, welche unter dem Fußtritte der Göttin entspringt und rieselnd sich weiterergießt, so glaubt man, es gebreche derselben so wenig als den herniederhangenden Reben mit ihren Trauben, bei den übrigen Merkmalen der Wahrheit, auch nicht einmal die Bewegung.
    Unter dem verschränkten Laube hervor erblickt man den Aktäon. Schüchtern, als wäre er schon Hirsch, richtet er seinen vorwitzigen Blick auf die Göttin und hofft, sie jetzt im Marmorquell baden zu sehen.
    Indem ich dies alles mit Verwunderung und ausnehmendem Vergnügen nicht oft genug betrachten konnte, sagte Byrrhenna zu mir: »Sehen Sie dies alles als Ihr Eigen an!« – und mit den Worten läßt sie alle übrigen hinausgehen.
    Als wir nun ganz allein waren, sprach sie:
    »Bei Dianen! liebster Lucius, ich bin um
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