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Der glücklose Therapeut - Roman

Der glücklose Therapeut - Roman

Titel: Der glücklose Therapeut - Roman
Autoren: Noam Shpancer
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dem Stuhl neben seinem Bett. Zum Abschied drückte ich seine runzlige Hand.
    » David « , sagte er.
    » Dad « , sagte ich.
    Dann saßen wir noch lange schweigend da.
    Am Nachmittag entschloss ich mich zu einem späten Mittagessen bei Ake. Unterwegs hielt ich an der Tankstelle an der Ecke. Ich stand neben meinem Auto, die Zapfpistole in der Hand, als ich auf der gegenüberliegenden Straßenseite zwei Frauen bemerkte, die auf dem Weg zur Bushaltestelle dort entlanggingen. Die eine war untersetzt und sah aus wie Anfang vierzig, die andere war wesentlich jünger. Die Ältere trug ein kleines Mädchen auf dem Arm, und als sie vorbeigingen, sah ich den Kopf des Kindes, der über die Schulter der Frau hinweg ragte. Sie waren zu diesem Zeitpunkt ziemlich weit von mir entfernt, doch das kleine Mädchen schaute in meine Richtung, und als die Frauen sich der Ecke näherten, hob es zögernd sein winziges Ärmchen und winkte mir zu – das Winken eines Kleinkindes, bei dem sich die Finger langsam über der Handfläche öffnen und wieder schließen: Hallo. Auf Wiedersehen. Ich hob die Hand und erwiderte das Winken. Dann verschwanden sie um die Ecke.
    Im Restaurant setzte ich mich an denselben Tisch, an dem ich immer mit Alex gesessen hatte. Ake war gut gelaunt. Er schüttelte mir die Hand und erkundigte sich nach Sam, nach ihrer Zeit am College. Dann beugte er sich zu mir und flüsterte: » Meine Töchter werden ebenfalls aufs College gehen. Falls nicht die Steuern und die Lügen dieser Betrüger in Washington mich vorher in den Bankrott treiben. Sie geben alles den Banken, die unser Geld stehlen und damit spielen; denen geben sie Geld; und Ake, dem kleinen Mann, gibt keiner etwas. Ich muss mir jeden Penny hart erarbeiten, und dann muss ich mein Geld vor diesen Dieben in Washington in Sicherheit bringen. Irgendjemand muss einmal im Namen aller dorthin gehen und für Ordnung sorgen. Wir brauchen einen Rambo, wissen Sie, ratatatatatat, hm? « Er hob die Hände, als hielte er ein Maschinengewehr und feuerte in alle Richtungen. Das war Akes Lösung. Sein Gesicht lief rot an, und seine Stimmung wirkte nicht mehr ganz so gut wie zuvor.
    » Es ist eine schwierige Welt, Ake « , sagte ich, » aber können wir wirklich hoffen, mit leerem Magen die Probleme dieser Welt zu lösen? «
    Er lachte, marschierte in die Küche und bellte seiner Frau Befehle zu, die dort zwischen den Töpfen herumwerkelte.
    Ich klappte meinen Laptop auf, um meine Mails zu lesen. Nach der Hälfte der eingegangenen Nachrichten erkannte ich eine Nachricht von Becca Lawrence und zuckte zusammen. Ich klickte die Nachricht an und wartete ungeduldig, bis der Text geladen war.
    Wie geht es Dir, Ready-Freddy? Ich fahre für zwei Wochen nach NYC . Mein Dad muss einen medizinischen Eingriff vornehmen lassen, und ich helfe, mich um ihn zu kümmern. Du hast mich aufgefordert, mich zu melden. Hier bin ich also und melde mich. Ich hoffe, es ist Dir nicht unangenehm, und wenn nichts daraus wird, ist es auch in Ordnung. Aber wenn du da bist oder vorbeikommen kannst, ruf mich an. Dann finden wir einen Ort, wo sie Cocktails mit kleinen Schirmchen servieren. Bye, B.
    Ich las ihre Nachricht wieder und wieder. Eine diffuse Freude überkam mich, und ich schwebte wie auf Wolken. So schön, von Dir zu hören, tippte ich zurück. Im Hintergrund kann ich das Meer hören. Was für eine tolle Überraschung; das heißt, eine von der seltenen Art. Wie ein Wunder. Würde Dich gerne treffen. Wir werden sehen, was sich machen lässt. In diesem Moment tauchte Ake wieder auf und balancierte eines der wunderbaren Gerichte seiner Frau auf seinem Buddha-Arm. Ich klappte den Laptop zu und machte mich über das Essen her.
    Als die Sonne unterging, ging ich auf den Friedhof. Das Gras, das die Grabsteine umgab, wurde langsam wieder grün, und die Erde war vom Regen aufgeweicht. Hier und da standen kleine Pfützen zwischen den Grabsteinen und auf dem schlammigen Pfad, der sich zwischen ihnen hindurchschlängelte. Der Himmel war klar, und eine sanfte Brise strich durch die hohen Bäume und zupfte an den Blättern. Bunte Blumenbuketts leuchteten zwischen den Grabsteinen hervor wie lautloses Feuerwerk. Auf der geteerten Straße, die um den Friedhof herumführte, sah ich eine junge Frau mit einem Kinderwagen, die auf dem friedlichen, gepflegten Gelände einen vorabendlichen Spaziergang in der Natur unternahm. Ein großer schwarzer Vogel löste sich von einem hohen Ast und entfernte sich mit trägem
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