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Der glücklose Therapeut - Roman

Der glücklose Therapeut - Roman

Titel: Der glücklose Therapeut - Roman
Autoren: Noam Shpancer
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der Sache zu tun haben. Sie ist krank und bettlägerig. Sie glauben gar nicht, wie viele Familien da draußen so sind. Kaputt. In alle Winde zerstreut. «
    » Sagen Sie mir « , sagte ich, » wie genau ist es passiert? «
    » Nun, anhand der Aussagen, die wir inzwischen zusammengetragen haben, haben zwei Nachbarn ein Geräusch gehört, einen Schuss, dessen waren sich beide ziemlich sicher. Die Frau von gegenüber – sie hat zu der fraglichen Zeit ihren Hund ausgeführt – und der Nachbar nebenan, er war in der Küche, wo das Fenster einen Spalt offen stand. Sie haben beide 911 angerufen. «
    » War die Polizei als Erste vor Ort? «
    » Ja. «
    » Und was hat sie vorgefunden? «
    » Eine Menge Blut. Einen Mann auf der Couch im Wohnzimmer. «
    » Tot? «
    » Tot. «
    Ich saß da und wusste nicht, was ich sagen sollte.
    Maloney sah mich an: » Wussten Sie, dass Barry Long eine Vergangenheit hatte? «
    » Wir haben alle eine Vergangenheit « , sagte ich.
    » Eine kriminelle Vergangenheit. «
    » Oh, Sie meinen den Zwischenfall bei Walmart? « , sagte ich. » Aber das war nichts – er wurde nicht einmal offiziell angeklagt, soweit ich weiß. «
    » Nein, nicht das; eine Verurteilung vor ein paar Jahren. «
    » Das wusste ich nicht. In seiner Akte stand nichts dergleichen. «
    » Es steht in unseren Akten « , sagte Maloney.
    » War er im Gefängnis? «
    Er nickte.
    » Weswegen genau? «
    Maloney beugte sich über seinen Aktenberg: » Eine Anklage wegen eines Verbrechens ohne Gewaltanwendung, wegen Betrugs. « Er blätterte in den Papieren. » Wegen des unrechtmäßigen Versuchs, Behindertenrente zu beziehen. «
    » Unrechtmäßig? Er hatte eine rechtsgültige Behinderung, eine psychische Behinderung. Ich habe deswegen sogar einen Brief an die betreffenden Ämter geschrieben. «
    Maloney sah mich mit seinen traurigen Augen an, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und kratzte sich am Nacken. » Das hier ist Jahre her « , sagte er. Er fischte einen braunen Umschlag aus dem Aktenstapel, zog einen Stapel Fotos heraus und ließ sie vor mir auf den Tisch fallen. » Eine psychische Behinderung, hmm … nun, das ist Ihr Fachgebiet. Ich mische mich da nicht ein, doch darüber kann man sich streiten, nicht wahr? Wie beweisen Sie, ob jemand tatsächlich an so etwas leidet und nicht simuliert? Mir ist nicht ganz klar, wie Sie das beweisen wollen. Unter uns gesagt, ich habe manchmal Mordfälle, kann sie aber nicht beweisen, und hier haben wir jemanden, der noch geatmet hat und es jetzt nicht mehr tut, verstehen Sie? Aber das spielt in diesem Fall keine Rolle mehr « , seufzte er. Dann wies er auf die Bilder, die vor mir lagen: » Barry Long hat gesessen, weil er eine Behinderung vorgetäuscht hat, allerdings keine psychische Behinderung. «
    Ich blätterte durch die Fotos. Das erste zeigte eine körnige Schwarzweißaufnahme, aufgenommen mit einer Sicherheitskamera, wie sie überall in der Stadt installiert sind – auf Parkplätzen, an vielbefahrenen Kreuzungen und in Geschäften. Das Foto war unscharf und verschwommen. Es zeigte einen Mann im Rollstuhl vor einem Schalter, vielleicht in einer Bank oder einem städtischen Amt. Das zweite Foto war aus einem anderen Winkel aufgenommen und zeigte eine Nahaufnahme des Mannes, und darauf erkannte ich Barry Longs Gesicht, die mageren Züge mit den vorstehenden Backenknochen und das wirre Haar. Ich hob den Kopf und sah Maloney fragend an.
    » Das war vor sechs Jahren « , sagte er, » gleich nach seiner Ankunft aus Texas, schätze ich. Der Angestellte dort schöpfte Verdacht, und dann schickten sie jemanden vom Betrugsdezernat, um der Sache nachzugehen. Wenn Sie weiterblättern, sehen Sie Bilder von ihm zu Hause; hier … « Er zog ein Bild aus dem Stapel. » Hier sehen Sie ihn, wie er den Müll rausträgt. Hier sitzt er im Auto. Alles ohne Rollstuhl. So haben sie ihn erwischt. Er hat kurz gesessen, doch weil es seine erste Straftat war und keine Gewalt angewendet wurde, fiel das Urteil milde aus. Er hat gemeinnützige Arbeit geleistet, Müll an Autobahnen aufgesammelt und so weiter, dann haben sie ihn laufen lassen. «
    Es entstand eine Pause. Ich bemühte mich, diese neue Information zu verarbeiten. Dann blickte ich auf. » Und was passiert jetzt? « , fragte ich.
    » Wie meinen Sie das? «
    » Mit seiner Leiche. Wenn er keine Angehörigen hat … «
    » Es gibt ein bestimmtes Verfahren « , sagte Maloney. » Wenn wir innerhalb von 72 Stunden keine Familienangehörigen ausfindig machen
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