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Der glücklose Therapeut - Roman

Der glücklose Therapeut - Roman

Titel: Der glücklose Therapeut - Roman
Autoren: Noam Shpancer
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ihn aufhalten können, ich hätte mich mehr um ihn kümmern müssen, um zu verhindern … Wenn ich nur besser aufgepasst hätte, die einzelnen Teile zu einem Bild zusammengefügt hätte, dann vielleicht … Wenn ich nur die richtigen Fragen gestellt, eine bestimmte Geste gemacht, ihn vielleicht angerufen hätte, oder, als ich bei ihm zu Hause war, mich sorgfältiger umgesehen hätte, dann hätte ich möglicherweise seine Waffe gefunden … Wenn ich nur konzentrierter gewesen wäre, schneller gehandelt, ihn angerufen hätte … Wenn ich nur auf John Savoia gehört und ihn an den richtigen Spezialisten überwiesen hätte … Vielleicht war mir etwas entgangen, weil sein Fall jenseits meines Fachgebiets lag, oder weil ich mir nicht die Mühe gemacht hatte, zu seinem behandelnden Psychiater Kontakt aufzunehmen oder zu dem davor oder dem davor … Eigentlich sollten wir innerhalb des behandelnden Teams in Kontakt stehen, doch meist rufen wir einander nicht an wegen des Zeitdrucks, des endlosen Papierkrams und der eigenen Trägheit. Ich hatte nicht angerufen.
    Barry. Barry. In meinem Kopf drehte sich alles. Ich fühlte mich schwach und leer und hatte einen Geschmack nach Galle im Mund. Dann klingelte das Telefon, und Theresa ließ mich höflich, aber entschieden wissen, dass mein nächster Klient da war und dass ich mich verspätete.
    Am Abend ging ich in John Savoias Büro.
    » Erinnerst du dich an diesen Klienten von mir, den Depressiven, der sich als schizophren herausgestellt hat? « , fragte ich ihn.
    » Ich glaube schon. Ich erinnere mich, dass du irgendeine Nähe zu dem Kerl entwickelt hast. Wenn ich mich richtig erinnere, hast du darauf bestanden, ihn weiter zu sehen. «
    » Er ist tot. «
    » Tot? «
    » Selbstmord. «
    John Savoia nickte und sah mich ruhig an.
    » Mach dir keine Sorgen, John « , sagte ich sarkastisch. » Er hatte keine Familie. Niemand wird uns verklagen. «
    » Hast du ihn den Vertrag unterschreiben lassen? «
    » Ja. «
    Wir saßen schweigend da.
    » Mach dich bereit « , sagte er schließlich. » Wappne dich. Du hast eine harte Zeit vor dir. «
    » Hast du schon einmal jemanden durch Selbstmord verloren? « , fragte ich.
    » Ich? Nein, nein. Aber ich kenne die Literatur. Da kommen eine Menge Schuldgefühle hoch. Und bleiben. Falls nötig, nimm ein paar Tage frei. Arbeite die Sache für dich auf. Falls du mich brauchst, ich bin da. Falls du etwas trinken gehen möchtest, sag Bescheid. Trink nicht allein; dann trifft man falsche Entscheidungen. «
    » Ich möchte, dass du mir einen Gefallen tust « , sagte ich.
    » Und welchen? «
    » Du hast doch in der Stadt Beziehungen. Ich würde mich gerne mit dem Polizisten treffen, der für die Untersuchung zuständig ist. Er sitzt in der Polizeiwache an der Main Street. Officer Maloney. «
    » Ich mache einen Anruf. «
    » Danke, John. «
    » Gern geschehen « , sagte er.
    Schweigen.
    » Du wirst verzeihen müssen « , sagte er.
    » Verzeihen? Wem? «
    » Euch beiden. «

41
    O fficer Maloney war ein großer, muskulöser Mann mit kurz geschnittenem Haar, einer langen Hakennase und sanften, sorgenvollen Blick. Sein Händedruck zerquetschte mir beinahe die Hand.
    » Dr. Winter? Ich bin Mike Maloney. « Er führte mich in sein Büroabteil, wo wir uns einander gegenüber setzten. » Wie kann ich Ihnen helfen, Doktor? «
    » Es geht um Barry Long « , sagte ich. » Er hat sich vor zwei Tagen umgebracht. «
    » Ja. «
    » Ich bin sein Psychologe. War sein Psychologe. «
    » Ja. « Er sah mich an, als wollte er sagen: ein nicht besonders erfolgreicher.
    » Ich möchte herausfinden, was genau passiert ist. Können Sie mir etwas darüber sagen? «
    » Er hat sich erschossen. Es tut mir leid. «
    » Wie hat er sich erschossen? « , fragte ich.
    » Wie? « Er hob die Brauen, als hätte er mich nicht richtig verstanden. » Mit einer Pistole. In den Kopf. «
    » Eine Pistole? Woher hatte er eine Pistole? «
    » Es war nicht seine. « Maloney widmete sich einem Dokumentenstapel, der auf seinem Schreibtisch lag, und suchte kurz. Dann wandte er sich wieder mir zu und ließ ein Bündel Papiere vor mir auf den Tisch fallen. » Eine Glock « , sagte er, » registriert auf eine LeAnn Long in Texas. Seine Mutter, wie sich herausstellte. «
    » Er hatte eine feste Freundin … nun, sie kam und ging; Mimi irgendwas. War sie vor Ort? «
    » Er war allein, als er starb. Es gibt kein Testament, soweit wir wissen. Wir haben mit seiner Mutter gesprochen, aber sie will nichts mit
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