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Der globale Polizeistaat

Der globale Polizeistaat

Titel: Der globale Polizeistaat
Autoren: Thomas Darnstädt
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ausdrücklich zulässt.« Ausdrücklich zugelassen ist der Einsatz des Militärs - von Amtshilfe für die Polizei abgesehen - im Landesinneren nur zur »Bekämpfung militärisch bewaffneter Aufständischer« und im »Spannungsfall«, dem Fall, für den einst die Notstandsgesetze geschaffen wurden und der an bestimmte formelle Voraussetzungen geknüpft ist.
    Der Krieg gegen den Terror ist im Grundgesetz nicht vorgesehen - es wird im dritten Teil dieses Buches noch davon zu berichten sein, welche Bemühungen es gibt, diese Lücke durch eine Änderung oder eine Neuinterpretation des Grundgesetzes zu füllen. Die Abwehrzentrale von Uedem wurde 2003 auf Anordnung der Nato errichtet. Weil für icherheitsaufgaben im Landesinneren ja eigentlich die Länder zuständig sind, verzichteten diese in einer »Rahmenvereinbarung« auf ihre Polizeibefugnisse - eine Verfassungsänderung auf kaltem Weg. Was da
in Uedem praktiziert wird, stützt sich auf eine Art überverfassungsrechtlichen Notstand. Kleinkarierte Bedenken? Unter der Wucht der Bedrohung erscheinen rechtsstaatliche Bedenken allzu oft als Prinzipienreiterei. Es mag ja vernünftig sein, dass die Wächter von Uedem über alle Kompetenzgrenzen hinweg den Schlaf der Bürger bewachen. Dennoch ist es ein Beispiel dafür, wie schnell die Grundlagen des Staates unter der terroristischen Bedrohung weich werden.
    Es bleibt ja nicht bei Kleinigkeiten. Wie eine pfiffige Untertunnelung des Rechts schnell die tragenden Säulen des Grundgesetzes ins Wanken bringen kann, zeigt die Antwort auf eine Frage, die wir uns bis hierher listig aufgehoben haben: Was passiert eigentlich, wenn eines der über tausend kleinen beschwänzten Kreislein auf dem Computerscreen in Uedem plötzlich vom Weg abweicht?
    »Dann wird es rot«, erklärt Oberst Bohn. »Rot heißt Renegade.«
    Dann leuchtet an der Decke des Kontrollraumes ein kreisendes rotes Alarmlicht auf wie man es aus amerikanischen Polizeifilmen kennt.
    Und dann?
    Dann geht es los: Am Fliegerhorst Neuburg an der Donau trötet ein Nebelhorn den Rengade-Fall in die Unterkünfte der Bereitschaftssoldaten. Dann rennen die Soldaten aus einem Flachbau zu zwei halbrunden Betonbunkern, wo startbereite Kampfflugzeuge stehen. Die Piloten und Waffensystemoffiziere steigen gelbe Eisenleitern hoch. Die Bordwaffen werden entsichert. »Alles geht zack, zack«, berichtet Y , das Magazin der Bundeswehr.
    Zack, zack: Es kann 20 bis 30 Minuten dauern, bis die Jäger bei dem verdächtigen Flugobjekt sind.
    Damit die Jäger am Himmel nicht zu spät kommen, orten die Luftwächter im Kontrollraum in Uedem Renegades bereits lange bevor sie die deutschen Staatsgrenzen erreicht haben. Was sich in Frankreich, in Italien tut, haben sie im Kontrollraum ebenso auf dem Schirm wie den Luftraum von Skandinavien.
Die Bedrohung entsteht ja nicht erst im Zuständigkeitsbereich der deutschen Polizei.
    In Schweden ist irgendetwas nicht in Ordnung. Ein Kreis über der Ostsee wird plötzlich von einem rot blinkenden Rechteck eingerahmt: Renegade? Mal sehen. Rotes Rechteck heißt: Der Pilot der Linienmaschine hat einen geheimen Alarmcode am Transponder aktiviert. Der Transponder ist der automatische Sender, der einen Flieger identifiziert. Die Todespiloten des 11. September hatten die Transponder ihrer entführten Maschinen ausgeschaltet. Wenn einer den Alarmcode drückt, heißt das, er hat immerhin noch Gewalt über die Knöpfe.
    Mit ihren Radaranlagen sehen die Wächter von Uedem auch Maschinen mit ausgeschaltetem Transponder. Die Maschine über Schweden, vermuten sie im Kontrollraum, hat wahrscheinlich Probleme mit dem Fahrwerk. Ist ein ziviles Problem. Kein Grund zum Scrambeln.
    »Scrambeln« heißt hinauffliegen, nachsehen. Heißt: Nebelhorn in Neuburg - oder in Wittmund in Ostfriesland, wo die andere Alarmrotte wartet. Scrambeln gehört zum routinemäßigen Air-Policing: »Ranfliegen, auch mal mit den Flügeln wackeln, Funkkontakt, mehr ist da nicht«, sagt der Standortkommandeur, der Luftwaffengeneralleutnant Hans-Joachim Schubert: »Das ist die Interrogation-Phase, das ist alles geregelt, das läuft ganz ohne Politik.«
    Alles geregelt: Interrogation läuft noch unter Schuberts Nato-Kommando, das ist keine nationale Angelegenheit. Vor ein paar Monaten sind sie gescrambelt, weil ein Ferienflieger einer nordeuropäischen Fluggesellschaft eine halbe Stunde lang an der Nordsee entlangflog, ohne sich per Funk zu identifizieren: »Eine halbe Stunde«, sagt der General, »ist zu
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