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Der globale Polizeistaat

Der globale Polizeistaat

Titel: Der globale Polizeistaat
Autoren: Thomas Darnstädt
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sieht, auch in Deutschland über die Verhängung des kriegerischen »Ausnahmezustandes« nachzudenken. 3 Gefahren sehen da nur die Experten. »Der Auflösung der rechtlichen Angriffsformen«, warnt der Polizeirechtsexperte und Richter am Bundesverwaltungsgericht Kurt Graulich, drohe »diejenige der rechtlichen Verteidigungsform« zu folgen - »und dieser folgt die Auflösung der Rechtsordnung überhaupt«.Und weil man als Richter sachlich sein muss, kann er nicht einfach sagen: Wer Verbrechen und Krieg nicht auseinanderhalten kann, riskiert Anarchie oder Diktatur.
    In Amerika, wo sie in dieser Entwicklung schon weiter sind, gibt es unter Experten den Topos des »Crime/War-Dilemma«. Das Dilemma, nicht mehr zwischen Krieg und Verbrechen unterscheiden zu können, und der Versuch, sich daraus mit den Methoden von Guantanamo zu befreien, hat die Vereinigten Staaten unter der Regierung George W. Bush weltweit um ihre moralische Glaubwürdigkeit gebracht. Doch ist es nicht dasselbe Dilemma, das Wolfgang Schäuble meint, wenn er auf das Verschwimmen der Grenzen und der Begriffe hinweist?
    Die Sprengkraft dieses Befundes kann vielleicht nur ein so harter Arbeiter am Rechtsstaat ermessen, wie es ein Bundesverwaltungsrichter ist. Der Rechtsstaat lebt von der Trennschärfe
der Begriffe. Wenn die Sprache verschwimmt, können die Wörter im Gesetz die Exekutive nicht mehr steuern. Manch einflussreicher Rechtsgelehrter hat sein Handwerkszeug unter der Wucht der Bedrohung schon weggeworfen. So entstehen juristische Texte wie dieser: »Eine Schlange, die völlig angepasst in ihrer Umgebung apathisch verharrt, bis sie mit einem plötzlichen Ruck auf ihr argloses Opfer zustößt« - das sei, schreibt der prominente deutsche Staatsrechtslehrer Josef Isensee, der Terrorismus und darum sei er so unfassbar. Auch dies ist ein Zusammenbruch der Sprache - der Sprache des Rechts. Wenn Rechtsprofessoren anfangen zu dichten, haben sie nichts mehr zu sagen. Juristerei ist im Wesentlichen die Wissenschaft der Abgrenzung und der Präzisierung von Begriffen. Wo Schlangen und Drachen an die Wand gemalt werden, rutscht die Rechtsordnung ins Ungefähre.
    Wie kann man da noch Staat machen?
     
    Am Ende des Feldweges von Uedem versuchen sie es trotzdem. Wie das Crime/War-Dilemma die Rechtsordnung weich macht, lässt sich hier im Detail beobachten. Zunächst sind es nur Äußerlichkeiten, die ins Auge fallen. In welchem militärischen Dienstraum hing jemals das Bild des Innenministers neben den Fotos von Generälen?
    Mein Gott, wie kleinlich. Draußen herrscht Krieg, und da macht sich jemand Gedanken über die Fotos an der Wand. Na gut, das mag auf den ersten Blick eine Kleinigkeit sein, aber die Fotos hängen ja nicht zufällig da. Unter den Bildern sitzen Polizeibeamte des Bundes neben Offizieren der Bundeswehr und machen gemeinsame Sache. Ist das auch nur eine Kleinigkeit? Als dieser Staat auf den Trümmern des »Dritten Reiches« unter maßgeblicher Beteiligung der siegreichen Amerikaner 1949 eine neue Verfassung bekam, das Grundgesetz, war die säuberliche Trennung von militärischen und polizeilichen Aufgaben, von Krieg und Frieden, allein deshalb kein Thema, weil es undenkbar schien, dass ein deutscher Staat jemals wieder Soldaten haben
könnte - geschweige denn, mit ihrer Hilfe Krieg führen würde. Als dann, nur wenige Jahre später, Konrad Adenauer im Einvernehmen mit den Amerikanern das Undenkbare Wirklichkeit werden ließ und die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik durchsetzte, bekam das Grundgesetz extra eine Knautschzone, den Bundesgrenzschutz, damit die Kräfte der inneren Sicherheit, die föderalistisch gezähmten Länderpolizeien, keinesfalls in Berührung kommen mit den Kräften der äußeren Sicherheit, den Bundeswehrsoldaten. Das Zusammenfügen von Polizei und Militär war eines der probatesten Mittel des NS-Regimes, unbegrenzte Furcht, schließlich unbegrenzten Terror im Inland wie im Ausland zu erzeugen. In einem Unrechtsstaat, in dem auch der »Führer« ständig in Militäruniform herumlief, fiel die Militarisierung der inneren Sicherheit bald niemandem mehr auf. Doch niemals, niemals, erklärten bei Eintritt der Bundesrepublik in die Nato die Schutzmächte den schutzbefohlenen Nachfolgern des Nazi-Reiches, dürfe so etwas wieder vorkommen. Und darum gibt es den Artikel 87a des Grundgesetzes, der bis heute vorschreibt: »Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es
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