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Der globale Eingriff

Der globale Eingriff

Titel: Der globale Eingriff
Autoren: James White
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haben.“
    Auf der Intensivstation gab es heute viel zu tun. Die Uhr im Monitorraum stand auf 15.30 Uhr, und die Anzeigetafel berichtete über drei Neuankömmlinge und zwei Todesfälle. Die Neuankömmlinge waren Opfer von Bombenexplosionen – bei zweien waren beide Beine amputiert worden, und der dritte hatte schwere Brustverletzungen. Der Polizeioffizier in Kabine Zwei, der Verbrennungen und mehrfache Brustverletzungen gehabt hatte, war am späten Vormittag gestorben. Als Hauptursache war Wundbrand angegeben. In Kabine Vier war die mehrfache Schußverletzung, der alte Mr. Hesketh, innerhalb der letzten zehn Minuten gestorben.
    Auf dem Bildschirm, der Kabine Vier zeigte, waren die Schultern und der Kopf des alten Mannes zu sehen, ferner eine Ganzansicht der Kabine, in der die Oberschwester einer sehr jungen Frau gegenüberstand, die noch in der Ausbildung war. Die junge Schwester beschrieb die Art, in der der alte Mann verschieden war, mit tiefer, unruhiger Stimme.
    Er hatte mit ihr gesprochen, schwach, aber sehr zusammenhängend, wenn man die Mengen Neomorph bedachte, die er intus hatte. Er hatte sich für die Schwierigkeiten entschuldigt, die er jedermann bereitete – was gar nicht der Fall war. Er hatte sie gefragt, ob sie Musik möge und welche Art von Musik sie möge und ob sie mit ihrer Arbeit zufrieden sei und wie sie mit ihrer Ausbildung vorankomme. Sie war sich sicher, daß er nicht aufgeregt gewesen war, nur interessiert, als er sich bei einem Wort zu verschlucken schien. Er hatte zu husten begonnen und war wenige Minuten später an schweren inneren Blutungen gestorben.
    „Ich verstehe“, sagte Schwester Weiwu ruhig. „Machen Sie sich darüber aber keine Gedanken, Schwester, so etwas haben wir erwartet. Deshalb ist auch Doktor Chiak nicht gleich gekommen, als Sie nach ihm gerufen haben. Wir waren sehr mit den Neuankömmlingen beschäftigt. Deshalb sind übrigens auch Sie und nicht eine der vollausgebildeten Schwestern Mr. Hesketh zugeteilt worden. Die brauchen wir nämlich für die Patienten, die eine Chance haben, und sei sie auch noch so klein.
    Und jetzt“, sagte sie lebhaft, „können Sie den Körper herrichten. Mr. Hesketh hatte keine Verwandten, also brauchen Sie nur das Leichenschauhaus zu benachrichtigen und Doktor Chiak daran zu erinnern, daß er den Totenschein ausstellen muß. Fühlen Sie sich nicht wohl, Schwester?“
    „… Er … er hat sich Gedanken über meine Zukunft gemacht, während er …“ hob die junge Schwester an.
    „Das ist Ihnen noch nicht sehr oft passiert, sehe ich“, sagte die Oberschwester. „Wollen Sie, daß ich die Sache von einer anderen Schwester erledigen lasse? Ich würde das verstehen.“
    „Nein, danke, ich will das machen“, antwortete sie. „Das ist schließlich alles, was ich jetzt noch für ihn tun kann, oder?“
    Die Oberschwester nickte, dann seufzte sie. „Sie müssen sich daran gewöhnen, daß Ihnen die Patienten unter den Händen wegsterben, Schwester. Nein, Sie werden von den Patienten erwarten müssen, daß sie sterben, ganz besonders in einer Intensivstation. Ich glaube kaum, daß man sich daran gewöhnen kann …“
    Auf dem Bildschirm, der die Nahaufnahme zeigte, erschienen ein Arm und eine Hand, an den langen Ärmeln und den steifen Manschetten konnte man erkennen, daß es der Arm und die Hand der Oberschwester waren, die die Augen des alten Mannes schlossen und eine Strähne weißen Haares, die ihm in die Stirn gefallen war, glätteten.
    „Sie müssen immer daran denken, daß der Hauptteil Ihrer Pflichterfüllung den Patienten gewidmet sein muß, die noch am Leben sind. Und wenn Sie das hier hinter sich gebracht haben“, schloß Schwester Weiwu, als sie sich zum Gehen wandte, „dann gehen Sie in den Waschraum und weinen Sie sich für fünf Minuten aus. Danach waschen Sie Ihr Gesicht und machen sich wieder an die Arbeit.“
    Bevor die junge Schwester sich wenige Sekunden später daranmachte, den Körper herzurichten, schaltete sie die Bildschirme der Kabine ab. Auf den anderen Bildschirmen jedoch war viel zu sehen. In Kabine Fünf, die bis vor kurzem von der weiblichen Überdosis belegt gewesen war, arbeiteten Chiak, zwei Ärzte aus der Annahme und eine Schwester an einem der Neuankömmlinge. Der junge Tommy schlief. Neben ihm saßen die Große Mary und eine farbige Schwester, die Malcolm noch nie gesehen hatte.
    Er wollte sich gerade die anderen Bildschirme genauer ansehen, als das Bild verschwand. Statt dessen erschien die
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